Etwas mehr als 200 Jahre nach seiner Erfindung gehört das Fahrrad zu den beliebtesten Verkehrsmitteln in Deutschland. Der Bestand an Fahrrädern hierzulande betrug 2020 knapp 79 Millionen – Tendenz steigend. Besonders in Städten nutzen es immer mehr Menschen regelmäßig, ob zum Einkaufen, für Fahrten zu Ausbildungsstätte oder Arbeitsplatz, oder den Besuch bei Freunden und Familie.
Rad fahren – aber sicher
Doch der positive Trend hat eine Kehrseite: Mit der steigenden
Zahl der Fahrradfahrenden steigen die Unfallzahlen. Radfahrerinnen und
Radfahrer, insbesondere solche auf E-Bikes und Pedelecs, gehören zu den am
stärksten gefährdeten Verkehrsteilnehmern. Das belegen die Unfallstatistiken. So
sank 2019 im Vergleich zu 2010 zwar die Zahl aller Verkehrstoten insgesamt um
16,5 Prozent. In 2019 war der Anteil der getöteten Radfahrer an der Gesamtzahl
aller Verkehrstoten allerdings um 17 % höher als noch in 2010. Umso wichtiger
ist es, die wichtigsten Regeln und Vorschriften zu kennen. Zusätzlich gibt es viele
Tipps und Tricks, mit denen das Fahrradfahren rund ums Jahr sicherer wird.
Auf dem Fahrrad gelten klare Regeln
Radfahrerinnen und Radfahrer sind nach Pkw-Fahrenden
am häufigsten von Unfällen mit Personenschaden betroffen. Alleine 2019 wurden
dabei knapp 87.000 von ihnen verletzt und 445 getötet. Die überwiegende Mehrheit solcher Unfälle ereignet sich innerorts. Ein Blick auf die Ursachen verrät: Meist sind nicht die Fahrradfahrerinnen und Fahrradfahrer die Verursachenden – auch wenn sie sich in einigen Situationen nicht regelkonform verhalten. Zu den häufigsten Fehlverhalten
von Radfahrenden gehören eine falsche Straßenbenutzung, Fehler beim Abbiegen,
Wenden, Rückwärtsfahren, Ein- und Ausfahren sowie Fehlverhalten beim Gewähren
von Vorfahrt beziehungsweise Vorrang. Wie für alle anderen Verkehrsmittel
gelten auch für das Fahrrad eindeutige Regeln. Hier werden die wichtigsten
erklärt.
Welche Verkehrsschilder müssen Fahrradfahrende beachten?
Schilder regeln den Straßenverkehr für alle Verkehrsteilnehmenden. Spezielle Verkehrszeichen für Fahrradfahrer und -fahrerinnen zeigen unter anderem an, welche Wege sie benutzen dürfen beziehungsweise müssen. Für Radwege etwa, die mit dem Verkehrsschild 237 (weißes Fahrrad-Symbol auf blauem Grund) gekennzeichnet sind, gilt für Radfahrende eine Benutzungspflicht. Diese Pflicht gilt übrigens auch für gemeinsame Rad- und Gehwege mit dem Zeichen 240 (weiße Piktogramme für Fußgehende und Radfahrende mit horizontaler Linie). Hier muss der Fahrradverkehr besondere Rücksicht auf Fußgängerinnen und Fußgänger nehmen. Das Zeichen 241 sieht ähnlich aus, doch die vertikale Linie bedeutet, dass es sich um einen getrennten Fuß- und Radweg handelt. Auch auf diesen Wegen gilt für Radfahrende eine Benutzungspflicht. Darüber hinaus weisen Verkehrsschilder Fahrradzonen und seit kurzem auch Radschnellwege aus, Zusatzschilder mit Fahrrad-Symbol zeigen Durchfahrtserlaubnisse an.
Dürfen Radfahrerinnen und Radfahrer nebeneinander fahren?
Grundsätzlich ist das Radfahren nebeneinander erlaubt. Gemäß §2 der Straßenverkehrs-Ordnung (StVO) gilt diese Erlaubnis jedoch nur, wenn dadurch der Verkehr nicht behindert wird. Anderenfalls muss hintereinander gefahren werden. Außerdem gilt laut StVO: 16 Radfahrende und mehr, die als Gruppe unterwegs sind, dürfen einen geschlossenen Verband bilden. Dann dürfen sie ebenfalls zu zweit nebeneinander auf der Fahrbahn fahren.
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Was muss man beim Linksabbiegen mit dem Fahrrad beachten?
Wer an einer Kreuzung mit dem Fahrrad nach links abbiegen möchte, hat dafür zwei regelkonforme Möglichkeiten. Beim sogenannten „direkten“ Linksabbiegen ordnet man sich unter Beachtung des Geradeausverkehrs frühzeitig links ein, beachtet die Ampel und den Gegenverkehr bzw. die Ampel für Linksabbieger, sofern vorhanden. Um sich rechtzeitig links einzuordnen, dürfen Radfahrende einen benutzungspflichtigen Radweg verlassen. „Indirektes“ Linksabbiegen mit dem Fahrrad hingegen geschieht, indem man die Kreuzung zunächst geradeaus überquert und erst dann nach links abbiegt. So überqueren Radfahrerinnen und Radfahrer nacheinander geradeaus zwei Fahrbahnen. Dabei müssen sie den fließenden Verkehr aus beiden Richtungen sowie die jeweiligen Ampelschaltungen beachten. Grundsätzlich gilt: Wer abbiegen möchte, muss dies rechtzeitig und deutlich ankündigen, um sich und andere nicht zu gefährden. Radfahrende tun dies am besten per deutlichem Handzeichen.
Darf man mit dem Fahrrad auf dem Gehweg fahren?
Grundsätzlich dürfen erwachsene Radfahrerinnen und Radfahrer Gehwege nicht benutzen, es sei denn, entsprechende Verkehrsschilder erlauben dies ausdrücklich. Etwas anders sieht es bei Kindern aus. Bis zum 8. Geburtstag müssen sie auf dem Gehweg fahren oder dürfen einen baulich von der Fahrbahn getrennten Radweg benutzen. Vom 8. bis zum 10. Geburtstag dürfen sie sowohl den Gehweg als auch Radwege oder die Fahrbahn befahren. Begleitpersonen (16 Jahre oder älter) von Kindern bis acht Jahre dürfen ebenfalls auf dem Gehweg fahren. Dabei dürfen Fußgängerinnen und Fußgänger weder behindert noch gefährdet werden. Die Geschwindigkeit muss an den Fußverkehr angepasst werden.
Wo haben Radfahrerinnen und Radfahrer Vorfahrt?
Für Rad- und Autofahrende gilt an Kreuzungen und Einmündungen gleichermaßen die Vorfahrtregel „rechts vor links“. Es sei denn, die Vorfahrt ist durch Schilder gesondert geregelt. Beim Abbiegen gilt grundsätzlich: Der Geradeausverkehr hat Vorfahrt vor dem abbiegenden Verkehr. Wer abbiegen will, muss entgegenkommende Fahrzeuge durchlassen. Radfahrende haben auch dann Vorrang, wenn sie auf oder neben der Fahrbahn in der gleichen Richtung fahren und ein abbiegendes Fahrzeug ihren Fahrtweg kreuzt Fahrradfahrerinnen und Fahrradfahrer sollten sich insbesondere an Kreuzungen bewusst machen, dass sich Verkehrssituationen schnell ändern können und es für alle Beteiligten nicht immer einfach ist, den Überblick zu behalten. Daher ist hier ein besonders umsichtiges Fahren gefordert. Im Zweifel kann es sicherer sein, auf das eigene Recht zu verzichten.
Gibt es eine Geschwindigkeitsbegrenzung für das Fahrrad?
Ja und nein. Die in der StVO geregelten generellen Tempolimits, etwa 50 Stundenkilometer innerorts, gelten nur für motorisierte Kraftfahrzeuge – also nicht für Fahrräder. Ein Beispiel: Ein gelbes Ortseingangsschild signalisiert Kfz-Fahrenden, dass sie maximal 50 Stundenkilometer fahren dürfen. Wenn hingegen ein Verkehrszeichen wie ein Tempo-30-Schild die maximal erlaubte Geschwindigkeit regelt, gilt dies für alle Fahrzeuge, also auch für Radfahrende. In der StVO ist allerdings auch festgelegt: „Wer ein Fahrzeug führt, darf nur so schnell fahren, dass das Fahrzeug ständig beherrscht wird“. Das bedeutet, dass auch Fahrradfahrerinnen und -fahrer ihre Geschwindigkeit den aktuellen Straßen-, Verkehrs-, und Wetterverhältnissen anpassen müssen.
Geschwindigkeitsbegrenzungen sind für Kraftfahrzeuge klar geregelt – anders als bei Radfahrenden. Eine Übersicht.
Welche Promillegrenze gilt auf dem Fahrrad?
Wer trinkt, fährt nicht – das sollte für alle Verkehrsteilnehmenden selbstverständlich sein. Denn dass man trotz Promille auf das Fahrrad steigen darf, ist ein Mythos, der sich hartnäckig hält. Für alle Personen, die ein Fahrzeug führen – also auch für Radfahrerinnen und Radfahrer – gilt: Bereits ab einer Blutalkoholkonzentration von 0,3 Promille besteht eine „relative Fahruntüchtigkeit“. Wer zusätzlich andere gefährdet oder einen Unfall verursacht, riskiert Geld- und Freiheitsstrafen. Ab 1,6 Promille gelten Radfahrende auch ohne auffälliges Fahrverhalten als „absolut fahruntüchtig“ und begehen eine Straftat.
Wer alkoholisiert fährt, setzt Leben aufs Spiel. Hier erfahren Sie mehr über das unterschätzte Risiko Alkohol.
Promille und Fahrrad - diese Konsequenzen drohen!
Mögliche Folge von Trunkenheit am Lenker ist eine Geld- oder Freiheitstrafe. Ab 1,6 Promille wird eine medizinisch-psychologische Untersuchung (MPU) angeordnet, die zur Entziehung der Kfz-Fahrerlaubnis und sogar zu einem Radfahrverbot führen kann. . Ein Blick auf die Unfallstatistik zeigt, dass noch immer viele Verkehrsteilnehmende die Kombination aus Alkohol und Fahrradfahren unterschätzen. Allein 2019 waren in Deutschland 4.395 alkoholisierte Radfahrerinnen und Radfahrer an Unfällen beteiligt, bei denen sie selbst und andere Personen zu Schaden kamen. Alkohol und Rad fahren? Lieber nicht.
Radfahren im Frühling und Sommer
Wenn im Frühjahr die Tage wieder länger werden, zieht es die Menschen nach draußen – und auf das Fahrrad. Wer in den warmen Monaten in der Freizeit und im Berufsverkehr sicher unterwegs sein möchte, sollte einige Tipps beachten.
Luft in die Reifen, Öl auf die Kette, Beläge für die Bremsen: So einfach machen Sie Ihr Fahrrad frühlingsfit.
Wie wird das Fahrrad fit für die neue Saison?
Wenn das Rad im Keller oder der Garage überwintert hat, gehört ein wenig Pflege dazu, bevor es wieder losgehen kann. Niedrige Temperaturen und lange Standzeiten gehen an Fahrrädern nicht spurlos vorbei. Neben einem Frühjahrsputz gehört ein Technik-Check zu den Vorbereitungen für den Start in die neue Saison. Besonders die Bremsen, aber auch der Antrieb, Räder und Reifen sowie Beleuchtung,Reflektoren und die Klingel sollten auf ihre Funktion geprüft werden. Wer selbst nicht Hand anlegen möchte, findet im Fachhandel Rat und Hilfe.
Fahrradfahren im Frühling und Sommer – langsam wieder eingewöhnen!
Wer das Rad in den Wintermonaten stehen lässt, sollte sich zunächst langsam wieder eingewöhnen. Denn mit den Temperaturen steigt nicht nur die Zahl der Radfahrerinnen und Radfahrer, sondern auch die Zahl der damit verbundenen Verkehrsunfälle. Wer aus der Übung ist, kann sich zunächst bei geringem Tempo wieder an das Radfahren gewöhnen, beispielsweise während ein paar Runden und Bremsübungen auf einem leeren Parkplatz. Das gilt auch bei einem neuen Fahrrad, insbesondere mit elektrischer Tretunterstützung, so genannten Pedelecs. Doch auch Ganzjahres-Radler sollten umsichtig fahren und mit den Unsicherheiten anderer rechnen.
Fahrradfahren im Winter
Immer mehr Menschen nutzen das Fahrrad auch im Herbst und Winter. Während der kalten Jahreszeit sorgen Dunkelheit, Nässe und Glätte für schwierige Straßenverhältnisse. Wer bei widrigen Straßen-, Sicht- und Witterungsbedingungen Radfahren möchte, sollte sich entsprechend vorbereiten und unterwegs sein Fahrverhalten anpassen.
Tipps zum Fahrrad fahren bei Regen, Eis und Schnee
Nässe und Glätte verlängern den Bremsweg, auf dem Fahrrad besteht besondere Rutschgefahr. Spezielle Winterreifen mit tiefem Profil – optional auch mit Spikes – und ein verringerter Luftdruck erhöhen den Grip auf rutschigen Straßen. Zudem sollten Fahrradfahrende im Winter besonders defensiv und vorausschauend fahren. Dazu gehört es etwa, bei Regen oder Schnee behutsamer zu bremsen und Kurven langsam zu durchfahren. Pedelec-Fahrerinnen und -Fahrer sollten zudem vorsichtig anfahren und nicht mit Höchstgeschwindigkeit fahren. Droht eine Gefahr, bleibt dann mehr Zeit, um zu reagieren.
Ein Fahrrad ohne Licht ist ein No-Go
Die Sichtbarkeit erhöht die Sicherheit im Straßenverkehr erheblich. Für das Fahrrad gelten dabei klare Regeln. Neben Frontscheinwerfer und Rücklicht gehören Reflektoren vorne, hinten, in den Speichen beider Räder oder als reflektierende Streifen an den Reifen und an den Pedalen zur vorgeschriebenen Grundausstattung. Gemäß StVO müssen die Scheinwerfer beim Radfahren in der Dämmerung und Dunkelheit eingeschaltet sein. Doch auch tagsüber sorgt das eingeschaltete Licht für mehr Sichtbarkeit. Je früher andere Verkehrsteilnehmende eine Radfahrerin oder einen Radfahrer wahrnehmen, desto sicherer.
Mit reflektierender Kleidung oder anderem Zubehör können Fußgänger und Fahrradfahrer ihre Sichtbarkeit steigern. Hier gibt es alle wichtigen Tipps!
Fahrradfahren im Dunkeln – die Sichtbarkeit erhöhen
Das Licht müssen Radfahrende bei Dämmerung und Dunkelheit ohnehin einschalten. Retroreflektierende Streifen an den Reifen oder Speichenclips erhöhen die seitliche Sichtbarkeit zusätzlich und sorgen dafür, dass der gesamte Umriss des Fahrrads im Scheinwerferlicht eines Kraftfahrzeugs erkennbar ist. Kleidung und Accessoires aus retroreflektierenden Materialien erhöhen die Sichtbarkeit zusätzlich, in fluoreszierenden Farben auch tagsüber.
Wer ohne Helm aufs Fahrrad steigt, geht ein großes Risiko ein. Eine Ärztin in der Unfallchirurgie weiß das allzu gut.
Fahrradfahren: Bitte mit Helm!
Ein Fahrradhelm kann Leben retten – oder zumindest vor schweren Kopfverletzungen schützen. Dennoch tragen immer noch zu wenige Menschen beim Radfahren einen Helm. Ob aus Nachlässigkeit, Sorglosigkeit oder Eitelkeit ist unklar – die Zahlen hingegen sprechen eine eindeutige Sprache. So hat eine Studie der Unfallforschung der Versicherer (UDV) aus dem Jahr 2014 gezeigt, dass mehr als 50 Prozent der im Straßenverkehr getöteten Fahrradfahrerinnen und -fahrer ohne Helm an einem Schädel-Hirn-Trauma starben. Umgekehrt kann ein Kopfschutz viele lebensbedrohlichen Verletzungen verhindern oder zumindest abmildern. In Deutschland besteht für Radfahrerinnen und Radfahrer keine allgemeine Pflicht zum Tragen eines Helms. Doch es sprechen viele gute Gründe dafür, unterwegs den Kopf in Schale zu werfen.
2017 starben 205 Menschen bei Unfällen mit Pedelecs, zwei Drittel davon im Rentenalter. Darauf macht Gernot Hassknecht in der neuen Folge von #Auf180 lautstark aufmerksam und mahnt zu Vorsicht.