Das Fahrrad im Lauf der Zeit

Erst Laufrad, dann Fahrrad: So hat sich das umweltfreundliche Verkehrsmittel in über 200 Jahren entwickelt.

01. Juni 2023
3 Minuten

Immer mehr Menschen in Deutschland fahren Fahrrad. Das beliebte Verkehrsmittel hat eine lange und bewegte Reise hinter sich. Doch die Entwicklung begann mit einem Umweg: Ein Vulkan in Indonesien musste ausbrechen, damit das Fahrrad überhaupt erst in Tritt kam.

Die Laufmaschine

Das Fahrrad erblickte in Mannheim das Licht der Welt. Dort entwickelte der Karlsruher Karl Drais aus der Not heraus den Vorgänger des heutigen Zweirads. Doch der eigentliche Ausgangspunkt für die Erfindung lag woanders – mehr als 12.000 Kilometer entfernt in Indonesien. Dort brach 1815 der Vulkan Tambora aus. Das Ereignis führte zu Ernteausfällen und steigenden Haferpreisen. Die Pferde konnten nicht mehr versorgt werden. Ein neues Fortbewegungsmittel musste her. Karl Drais nahm sich dieser Aufgabe an – und entwickelte ein Gefährt, auf dem die fahrende Person sitzt und sich mit den Beinen abstößt. Das Laufrad beziehungsweise die Draisine – die Ur-Form des Fahrrads – bestand unter anderem aus einem gepolsterten Holzbalken sowie einem lenkbaren Vorderrad und einer einfachen Bremse. Mit dem Gefährt waren Verkehrsteilnehmende deutlich schneller als zu Fuß Gehende und überholten sogar die Postkutsche. Karl Drais soll unter anderem die 50 Kilometer lange Strecke von Karlsruhe nach Kehl in drei Stunden zurückgelegt haben. Doch letztlich setzte sich die Laufmaschine nicht durch: Sie war zu teuer und unbequem. Vor allem auf holprigen Straßen war die Fahrfreude begrenzt.

Das Velociped

Die Entwicklung stand einige Jahrzehnte still, bis das Rad 1861 in Frankreich mit Pedalen ausgestattet wurde. Welcher Erfinder auf diese Idee kam, steht nicht endgültig fest. Vermutlich waren es Pierre Michaux und sein Sohn Ernest Michaux. Einer Überlieferung zufolge montierte Pierre Michaux bei einem Modell Tretkurbeln an das Vorderrad, da sein Sohn die Fahrt über lange Strecken ermüdend fand. Die beiden hatten außerdem die Idee, von Holz auf Stahl umzusatteln. Sie bezeichneten ihr Rad als “vélocipède bicycle“, was auf Deutsch so viel bedeutet wie: schnelle Füße. Als Vater und Sohn ihr Modell 1867 bei der Weltausstellung in Paris vorstellten, erregte das Zweirad großes Aufsehen.

Das Hochrad

Der nächste Meilenstein in der Entwicklung des Fahrrads kam in England ins Rollen. 1870 überlegten sich die Fabrikanten James Starley und William Hillman, wie man das Fahrrad schneller machen kann. Die Lösung: das Vorderrad deutlich vergrößern. Dadurch legten Radfahrende mit einem Pedaltritt mehr Strecke zurück. Das Hinterrad wurde im Gegensatz dazu – auch um das Aufsteigen zu erleichtern – immer kleiner. Letztlich fuhr das Hochrad namens „Ariel“ wesentlich schneller als sein Vorgänger. Außerdem hatte das Rad Nabenfelgen, Speichen aus Stahl und Reifen aus Vollgummi. Allerdings erforderte das Fahren großes Geschick. Viele Fahrende stürzten und aufgrund der Fallhöhe verletzten sie sich oft. Das hielt manche jedoch nicht ab, waghalsige Radrennen zu veranstalten. Eines davon fand in Paris-Roubaix statt. Eine besondere Herausforderung, denn die Strecke führt bis heute teilweise über Kopfsteinpflaster.

Das Sicherheits-Niederrad

Der englische Konstrukteur und Fahrrad-Produzent John Kemp Starley war Enkel von James Starley und wollte die Entwicklung seines Großvaters modifizieren. Sein Ziel: die Muskelkraft besser nutzen und das Rad sicherer machen. Dafür entwickelte er das „Rover Safety Bicycle“. Es hatte zwei gleich große Räder, eine Kette und einen verstellbaren Sattel. Bei der ersten Präsentation seiner Erfindung 1884 war das Publikum jedoch skeptisch. Die Presse bezeichnete das Velo aufgrund seiner geringeren Höhe als „Kriecher“ oder „Käfer“. Erst als Starley ein Rennen veranstaltete, bei dem Top-Rennfahrer George Smith mit dem Sicherheits-Niederrad einen neuen Weltrekord aufstellte, etablierte sich das Fahrrad. Es ist bis heute in seiner Form allen bekannt. Das Hochrad war hingegen Geschichte.

Blick in die Gegenwart

Mit der Entwicklung des Autos im 20. Jahrhundert hat das Fahrrad Konkurrenz bekommen. Doch an der Popularität hat das kaum etwas geändert. Bis heute schätzen Menschen am Radfahren die Flexibilität, die Umweltfreundlichkeit und die Möglichkeiten sich fit zu halten. Neben den klassischen Modellen gibt es inzwischen eine große Auswahl an Fahrrädern mit elektrischem Zusatzantrieb. Immer mehr Menschen entdecken ihre Leidenschaft für Pedelecs, S-Pedelecs und E-Bikes. Mit der zunehmenden Verbreitung von Elektrofahrrädern stiegen in den vergangenen Jahren auch die Unfallzahlen. Dabei sind Pedelec-Unfälle schwerwiegender als Unfälle mit klassischen Fahrrädern. Ob mit oder ohne Motor – am besten setzen alle Radfahrenden vor jeder Fahrt einen Helm auf. Denn auch bei geringen Geschwindigkeiten kann ein Aufprall fatale Folgen haben. Neben Fußgängerinnen und Fußgängern sind Radelnde die schwächsten Verkehrsteilnehmenden und haben bei einem Unfall schlechte Karten. Deshalb gilt: Defensiv fahren und mit Fehlern von Auto-, Motorrad- und Lkw-Fahrenden rechnen. Pedelec-Fahrende sollten vor der ersten Fahrt die Fahreigenschaften in sicherer Umgebung austesten und einen langen Bremsweg, ein angepasstes Kurvenverhalten sowie eine vorausschauende Fahrweise berücksichtigen.

Bilder: dpa