„Was mir durch den Kopf gegangen ist? Eigentlich relativ wenig. Außer halt: ‚Mist‘. Es war auch einfach zu wenig Zeit, um da großartig reagieren und nachdenken zu können. Irgendwann habe ich gemerkt, ich bin zu schnell, dann habe ich gesehen, da ist Kies, und dann – ja, dann war es schon vorbei.“
Es sollte ein schöner Ausflug werden. Der 24-jährige Motorradfahrer Jonas Matthis tourte gemeinsam mit seinem Vater durch die Serpentinen, als er in der Kurve auf Geröll ausrutschte und stürzte. „Dank der Motorradkleidung hatte ich nur ein, zwei blaue Flecken. Alles an größeren Verletzungen war zum Glück komplett vermieden.“
Jonas kam noch einmal mit dem Schrecken davon. Es war die vollständige Ausrüstung, die ihn vor schlimmen Folgen bewahrte – ihm womöglich sogar das Leben rettete. „Ich hatte eine komplette Lederkombi an, einen Rückenprotektor, zur Lederkombi passende Schuhe, Helm und Handschuhe. Also eigentlich alles, was man hätte tragen können. Auf jeden Fall gut war der Helm. Der war danach dann auch ziemlich beschädigt an der Seite, und an der Lederkombi hatte ich Schürfungen an Schulter und Ellenbogen. Auch die Schuhe waren aufgerissen.“
Dank der Motorradkleidung hatte ich nur ein, zwei blaue Flecken
Dabei ist Motorradschutzkleidung, bis auf den Helm, nicht gesetzlich vorgeschrieben – und das, obwohl der Straßenverkehr gerade für Motorradfahrende so gefährlich ist. Unangepasste Geschwindigkeit, mangelnder Sicherheitsabstand und riskante Überholmanöver sind häufige Unfallursachen von Bikerinnen und Bikern. Witterungseinflüsse, die Fahrbahnbeschaffenheit und die Fehleinschätzungen anderer Verkehrsteilnehmender sorgen für brenzlige Situationen auf zwei Rädern.
Das ifz sorgt für mehr Sicherheit auf zwei Rädern
Das Institut für Zweiradsicherheit (ifz) widmet sich der Forschung zur Sicherheit von Motorradfahrerinnen und Motorradfahrern. Ein Sprecher des ifz erklärt: „In unseren eigenen Studien untersuchen wir das Verhalten von Motorradfahrenden in unterschiedlichen Verkehrssituationen, analysieren Unfalldaten und erforschen Unfallursachen sowie -mechanismen.“ Gemeinsam mit zahlreichen Partnerinnen und Partnern arbeitet das ifz daran, das Unfallrisiko für Roller- und Motorradfahrende zu verringern und dadurch die Zahl der Verunglückten zu reduzieren. Als Mitglied der Partner-Allianz von #mehrAchtung unterstützt das ifz auch den Appell der Initiative für mehr Aufmerksamkeit, Rücksicht und einen respektvollen Umgang miteinander.
Erhöhtes Verletzungsrisiko für Motorradfahrende
Das Verletzungsrisiko ist für Motorradfahrende im Gegensatz zu anderen Verkehrsteilnehmenden besonders hoch, denn ohne Karosserie und Airbag sind sie bei einem Aufprall nicht geschützt. Daher ist die richtige Ausrüstung unerlässlich.
„Neben ganz vielen Dingen, die Motorradfahrende für ihre eigene Sicherheit tun können, ist das Tragen von Motorradbekleidung ein wichtiger Baustein. Der Helm, der Fahreranzug, Handschuhe und Stiefel werden in nahezu jeder Unfall- und Sturzsituation die Verletzungsfolgen reduzieren“, schildert das ifz.
Verunglückte Motorradfahrende 2023
Im Jahr 2023 wurden 38.297 Motorradfahrende bei Unfällen verletzt – bei diesen Unfällen sind 550 Menschen gestorben. Schützen Sie sich mit der richtigen Ausrüstung!
Die richtige Motorradkleidung: die ECE-Norm
„Zur elementaren und Ausrüstung nach ECE-Norm zählen: Motorradhelm, eine Motorradjacke und -hose, Motorradstiefel/-schuhe mit ausreichendem Knöchelschutz, Motorradhandschuhe und gegebenenfalls ein Rückenprotektor, sofern er nicht bereits in die Motorradjacke eingearbeitet ist“, erläutert das ifz. Wichtig sei vor allem, auf die entsprechenden Normen zu achten. Ein Aufnäher im Futter des Helmes gibt Informationen darüber, ob dieser gemäß „ECE-R 22.05“ oder „ECE-R 22.06“geprüft ist. Die ECE-Regelungen, speziell die UN-Regelung Nr. 22 (ECE-R 22), geben die Standards für Motorradhelme vor und gewährleisten, dass diese bei einem Unfall ausreichend Schutz bieten. Auch für andere Ausrüstungsgegenstände wie Motorradanzüge, Handschuhe und Stiefel gibt es Normen, die deren Schutzwirkung sicherstellen.
Das ifz erklärt: „Die ECE regelt einheitliche Bedingungen speziell für die Genehmigung der Schutzhelme und ihrer Visiere. Alle Hersteller müssen ihre Helme von unabhängigen Institutionen prüfen lassen, bevor die Helme in den Handel kommen.“ Die neueste Version 06 löse die alte Version 05 ab (Stand: August 2024). Trotz anderslautender Gerüchte können die „05er-Helme“ aber verkauft werden und haben somit kein „Ablaufdatum“.
Wann Motorradhelme „in Rente“ gehen sollten
Ein „Ablaufdatum“ haben die Teile einer Motorradausrüstung zwar nicht, aber: „Helme altern“, sagt das ifz. „So gut und neu der Helm noch aussehen mag, nach einer gewissen Zeit sollte er ersetzt werden. Unabhängig von der Nutzungsintensität und auch bei bester Pflege und Unfallfreiheit kommt es im Zeitverlauf zu Materialermüdung. Um immer auf die volle Schutzwirkung des Helmes vertrauen zu können, sollte er deshalb nach etwa fünf bis sieben Jahren ‚in Rente gehen‘ und durch einen neuen Helm ersetzt werden“, erläutert ein ifz-Sprecher.
Materialien und Farben sollten sichtbar machen und abriebfest sein
Das Material und die Farbe der Ausrüstung sind Geschmackssache. Klar ist: Je auffälliger und knalliger die Farbe, desto besser sichtbar ist der Motorradfahrende im Straßenverkehr. Sollte die Motorradkombi aus Leder oder Textil gefertigt sein? „Das Leder liegt in puncto Reiß- und Abriebfestigkeit leicht auf der vorderen Position, die textilen Fasern rücken ihm jedoch längst sehr nahe. Einigkeit herrscht bei den Verfechtern von Leder und Textil in Fragen der Ausstattung. So gehören Protektoren bei einer guten Ausrüstung selbstverständlich zum Standard. Sie sitzen in der Regel an Schulter, Ellbogen, Knie und am Rücken. Aber auch Protektoren an Hüfte, im Brustbereich oder auch am Schienbein sind keine Seltenheit“, erläutert der Sprecher des ifz. Auch die Protektoren in der Schutzkleidung altern und verschleißen und sollten regelmäßig überprüft werden.
Passform und Kosten: „Teuer heißt nicht immer besser“
Besonders wichtig beim Kauf der richtigen Motorradkleidung: die Passform. „Die volle Schutzfunktion kann sich nämlich nur entfalten, wenn der Helm oder beispielsweise die Motorradjacke auch richtig sitzt. Insbesondere die Protektoren in Jacke und Hose müssen die jeweilige Körperregion eng umschließen und dürfen nicht verrutschen“, teilt das ifz mit. Dabei gilt: „Teuer heißt nicht immer besser. Ein sicherer Motorradhelm oder entsprechende Motorradbekleidung muss nicht zwangsläufig viel Geld kosten.“ Der Markt sei groß und halte ein umfassendes Angebot an Helmen, Jacken, Hosen und weiteren Gegenständen in allen Preisklassen bereit.
Was bedeuten die Kürzel auf den Etiketten?
Auch bei den Kleidungskomponenten gibt es verschiedene Prüfstandards, an denen man sich beim Kauf orientieren kann. Das Europäische Komitee für Normung (CEN) entwickelte fünf neue Standards, die den Großteil des Angebotes am Markt abdecken. Auf eingenähten Etiketten sind Kürzel verzeichnet, die Informationen zu diesen europaweit gültigen Schutzklassen liefern.
Dafür stehen die Kürzel
C = reiner Aufprallschutz, kein vollständiger Mindestschutz
B = reiner Abriebschutz (kein Aufprallschutz), kein vollständiger Mindestschutz
A = Mindestschutz vor Aufprall und Abrieb
AA = mittlerer Schutz, Material und Ausführung erfüllen höhere Anforderungen als A, weniger als AAA
AAA = hoher Schutz, Material und Ausführung erfüllen höhere Anforderungen als A und AA
Für Jonas ging der Sturz dank der richtigen Motorradkleidung mit nur wenigen blauen Flecken noch einmal glimpflich aus. Sein Blick auf das Motorradfahren hat sich jedoch nicht verändert. Spaß mache es ja immer noch – und seine neu gekaufte Ausrüstung braucht er dabei hoffentlich kein zweites Mal.
Weitere Informationen rund um die richtige Motorradschutzausrüstung finden Sie in der Info-Broschüre „Von Kopf bis Fuß“ des Instituts für Zweiradsicherheit.
Bilder: Shutterstock, ifz, Lucas Wahl.