Sicher in die Motorradsaison

Kaltstart? Nein, danke! Neben Eingewöhnungsfahrten hilft ein Fahrsicherheitstraining zum Start der Saison. 

09. März 2022
4 Minuten

Es ist ruhig um Peer Schreiter. Nur wenige Motoren sind im Hintergrund des Übungsplatzes zu hören. Der Fahrsicherheitstrainer hockt sich vor ein Motorrad und überprüft die Mindestprofiltiefe des Reifens. „1,6 Millimeter“, sagt er mit prüfendem Blick. Das ist das Minimum. In der Regel sollte die Profiltiefe aber besser 2 Millimeter betragen.

Der Blick lenkt die Fahrt

Das Motorrad gehört Dirk. Er absolviert heute ein Fahrsicherheitstraining bei Peer. Dadurch möchte der 34-jährige noch sicherer auf dem Motorrad werden. Auch Annette hat sich für eine Übungseinheit im Fahrsicherheitszentrum des ADAC im brandenburgischen Linthe angemeldet. Für sie ist es nicht das erste Training: „Vieles, was einem in der Praxis begegnet, wird in den Trainings aufgegriffen. Hier kann man es ohne Verkehr und vor allem in Ruhe üben. Bremsen, Kurvenfahren, die Schräglage – da muss man fit bleiben und dafür sind die Trainings ziemlich gut.“ Gerade jetzt, wenn die frühlingshaften Temperaturen wieder viele Motorradfahrende auf die Straße locken, hilft ein Fahrsicherheitstraining nach der langen Winterpause dabei, diese wichtigen Fähigkeiten aufzufrischen und sich insbesondere wieder mit der Schräglage in Kurven vertraut zu machen.

Der Check zum Saisonstart

Doch bevor es auf die Übungstrecke geht, zeigt Peer, was zu einer richtigen Schutzkleidung gehört. Jacke und Hose oder ein komplette Motorradkombi, Helm, Rückenprotektor, Brustwirbelschutz, Handschuhe, Stiefel: Passender Rundumschutz ist auf dem Motorrad wichtig. Bei einem Unfall kann die Ausrüstung die Unfallfolgen deutlich mindern.   

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Lucas Wahl
Zur richtigen Sicherheitskleidung zählen ein Helm, Jacke und Hose mit Protektoren, Handschuhe und Stiefel.
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Der Trainer zeigt den Teilnehmenden die richtige Schutzkleidung.
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Die Reifen müssen den richtigen Druck haben, sie dürfen zudem nicht porös oder beschädigt sein.
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Zur richtigen Sicherheitskleidung zählen ein Helm, Jacke und Hose mit Protektoren, Handschuhe und Stiefel.
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Lucas Wahl
Der Trainer zeigt den Teilnehmenden die richtige Schutzkleidung.

Nun schaut er sich die beiden Motorräder nochmal genauer an. Worauf kommt es beim Technikcheck nach langen Standzeiten an? Peer: „Ich muss mir die Maschine genau anschauen. Funktioniert die Bremse, ist die Gabel intakt? Außerdem gilt es, einen Blick auf den Boden zu werfen. Wichtig ist hier, dass sich keine Pfütze gebildet hat und keine Betriebsmittel verloren gegangen sind.“ Peer drückt die Vorderbremse von Dirks Motorrad. „Du musst schauen, ob genügend Druck da ist, um sicher zum Stehen zu kommen“, erklärt der Trainer. Abschließend prüft er nochmal über die Reifen. Keine Beschädigung, nicht porös, richtiger Druck – es kann losgehen. 

Balancefahrzeug

Die Drei steuern die erste Übungssituation an und starten ihr Training mit dem Warmfahren. Annette und Dirk sollen entspannter werden. „Das Motorrad ist ein Balancefahrzeug. Das müssen sie spüren“, so Peer. Es geht um die Grundsätze: sitzen, schauen und lenken. Apropos sitzen:  Um ein Gefühl für Balance und Maschine zu bekommen, trainiert man gemeinsam, für einen kurzen Moment freihändig zu fahren. Der Experte macht es vor, die beiden machen es nur zögerlich nach. Dirk nimmt die Arme vom Lenker und hebt sie leicht. Noch kostet es einige Überwindung – verständlicherweise. Aber beim Training gilt es eben auch, seinen Erfahrungshorizont zu erweitern. 

Doch wie sitzt man eigentlich richtig auf dem Motorrad? Wichtig ist eine aufrechte, in Fahrtrichtung leicht gebeugte Sitzhaltung. Die Arme sollten locker sein. Die Knie gehören eng an die Maschine, die Fußballen auf die Raster. „Die Füße berühren als Erstes die Straße. Sie sind die Verbindung zwischen Maschine und der Straße, die eben auch die ein oder andere Unebenheit bereithält“, erklärt Peer. Die Hände gehören natürlich an den Lenker, um stets bremsbereit zu sein. 

Als nächste Übung steht Bremsen und Anhalten auf dem Plan. Dafür hat Peer Kegel in Signalfarben aufgestellt, die markieren, wo die beiden Teilnehmenden bremsen sollen. Beide beschleunigen anfangs etwas verhalten. Doch der Trainer gibt ein Tempo von 50 km/h vor. „Ihr könnt hier nichts falsch machen.“ In mehreren Durchgängen wird die Bremskraft allmählich weiter gesteigert, bis letztlich eine richtige Gefahrbremsung mit ABS-Regelung durchgeführt werden kann.  Besondere Herausforderung dabei: das Anhalten auf nassem Untergrund. Nicht nur der Bremsweg verändert sich, hier spürt Dirk auch, wie das ABS seiner Maschine greift. Bis dato konnte der 34-jährige noch nicht einschätzen, wie das Hilfssystem ihn unterstützt. Nun spürt er, wie das ABS selbst bei einer Gefahrenbremsung dafür sorgt, dass sein Vorderrad nicht blockiert und er auf dem kürzesten Bremsweg zum Stehen kommt. 

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Beim Bremsen und Anhalten auf nassem Untergrund wird besonders die sicherheitsfördernde Wirkung von ABS erlebbar gemacht
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Trainer Peer erklärt Dirk, wie der Bremshebel richtig gehalten wird.
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Das Anhalten auf nassem Untergrund stellt eine besondere Herausforderung dar.
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Beim Bremsen und Anhalten auf nassem Untergrund wird besonders die sicherheitsfördernde Wirkung von ABS erlebbar gemacht
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Trainer Peer erklärt Dirk, wie der Bremshebel richtig gehalten wird.

Nach einigen Durchgängen fällt Peer auf, dass es Übungsbedarf beim Lenken gibt. Auffällig wird das im Slalom, den die beiden durchfahren. Mit der Hand wird der Lenkimpuls angegeben. Dirk: „Ich habe das Gefühl, ich muss meinen Lenker anders positionieren, um besser um die Kurve zu kommen.“ Der Trainer gibt ihm den Rat mit mehr Körpereinsatz im Oberkörper zu fahren. Schnell zeigt sich, Dirk fährt durch die Anwendung dieses Tipps deutlich sicherer.

Der Aha-Effekt

Worauf es beim richtigen Lenken in Schräglage ankommt, erklärt Peer. Rasch die Richtung wechseln, um einem Hindernis auszuweichen steht als nächste Übung auf dem Programm. Auf der Übungsfläche trainieren sie das Ausweichmanöver. Annette setzt die Empfehlungen von Peer direkt um. Sicher durchfährt die Regensburgerin den Parcours, Der Trainer zeigt sich zufrieden.

„Ich bin nun deutlich sensibilisierter für die Risiken, aber auch sicherer. Vor allem, weil ich gemerkt habe, wie schnell das Motorrad selbst auf nassem Asphalt zum Stehen kommt.“ 

Im Fahrsicherheitszentrum trainieren beide in sicherer Umgebung. Trotzdem gilt es für den Notfall vorbereitet zu sein. Wie man sich im Kopf auf gefährliche Situationen im Verkehr einstimmt? „Wir müssen Schubladen kreieren, die ich öffne und dann gleich routinierte Aktionen abrufen kann“, erklärt Peer. Gerade beim Training von Notfallmanövern wie richtigem Ausweichen oder dem Bremsen auf nassem Untergrund hilft das mehrfache Wiederholen.

„Schaut, wohin es geht“, auskuppeln, schauen und den Hütchen ausweichen – Dirk kommt gut durch den Parcours. Nur leicht touchiert er ein Schaumstoffhindernis. Annette braucht einige Durchgänge, um sich sicher durchzuschlängeln. Sie reduziert das Tempo und umfährt die kleine Barrikade. „Ich bin nun deutlich sensibilisierter für die Risiken, aber auch sicherer. Vor allem, weil ich gemerkt habe, wie schnell das Motorrad selbst auf nassem Asphalt zum Stehen kommt“, erklärt sie. 

Die Königsdisziplin

Zum Abschluss fahren sie auf die Kreisbahn. Hier wird das anspruchsvollste Manöver erprobt: Kurven fahren. Nun kommt es auf die richtige Kurventechnik an und dabei zählt vor allem die Blickführung. „Kopf gerade und behaltet den Überblick“, gibt der Trainer den beiden für die Fahrt auf der Strecke mit. Genau beobachtet Peer den Linienbereich, in dem sich die beiden bewegen. Annette muss sich erst an die vielen Kurven gewöhnen. „Das erlebt man draußen auf der Straße eher selten.“ Doch auch in der Praxis gelingt es ihr, Peers Anweisungen umzusetzen. 

Nun wird es nochmal besonders knifflig: langsam durch die Kurve fahren lautet die Aufgabe. Ruhig und konzentriert rangieren sie ihre Maschinen. Jetzt zeigt sich, wie gut sie die Balance halten können. Denn bei geringerer Geschwindigkeit und ist es schwerer, mit dem Motorrad umzugehen. Aber auch diese Herausforderung meistern sie. 

Ihr Fazit? Insbesondere zum Saisonstart lohnt sich ein Fahrsicherheitstraining. „Gerade nach der Winterpause wird man von anderen Verkehrsteilnehmern schneller übersehen. Das muss man sich ins Bewusstsein rufen und schnell reagieren können“, erklärt Dirk. Das kann er nun deutlich besser und vielleicht gehört auch bald ein Sicherheitstraining zu seiner Saisonstartroutine. 

Bilder: Lucas Wahl