10. Februar 2025

Die Polizei macht Schülerlotsinnen und -lotsen fit

Worauf es ihr bei der Ausbildung von Schülerlotsen ankommt: ein Interview mit Polizistin Christa Frericks aus Hannover. 

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Frühmorgens stehen sie mit ihren leuchtenden Westen auf den Straßen und sorgen für einen sicheren Schulweg: Schülerlotsinnen und Schülerlotsen. Die Polizei hilft bei ihrer Ausbildung – zum Beispiel Christa Frericks. Sie ist Verkehrssicherheitsberaterin bei der Polizei Hannover. Mit ihrem Präventionsteam sorgt sie dafür, dass die ehrenamtlichen Schülerinnen und Schüler immer Hilfe vor Ort haben. Im Gespräch berichtet Christa Frericks von der Ausbildung der jungen Verkehrshelfer.

Frau Frericks, Sie gehören seit vier Jahren zum Präventionsteam der Polizei Hannover und unterstützen die Ausbildung der jungen Ehrenamtlichen. Warum sind Schülerlotsinnen und -lotsen wichtig für die Verkehrssicherheit?

Sie entschärfen gefährliche Situationen, indem sie unerfahrene Schülerinnen und Schüler im Straßenverkehr absichern, zum Beispiel beim Überqueren von Straßen. Das erfordert ein hohes Maß an Umsichtigkeit gegenüber allen Verkehrsteilnehmenden. Ich denke, dass die Tätigkeit die Schülerlotsinnen und -lotsen insgesamt zu verantwortlicheren Menschen macht. Sie lernen, Vorbild zu sein und sich durchzusetzen.

Schülerlotsen lernen, Vorbild zu sein und sich durchzusetzen.

Seit 1953 gibt es Schülerlotsinnen und -lotsen in Deutschland. Wie haben sich ihre Aufgaben in den vergangenen 70 Jahren entwickelt und verändert?

Einerseits ist der Verkehr sicherer geworden. Andererseits hat der Verkehr im Vergleich zu den Anfängen der Schülerlotsentätigkeit um ein Vielfaches zugenommen. Die Schülerlotsinnen und -lotsen brauchen ein gutes Auge für die Gefahren im Straßenverkehr. Allein die Benutzung des Handys verursacht viele Verkehrsunfälle. Die Menschen in Fahrzeugen, aber auch Fußgängerinnen und Fußgänger sind abgelenkt und dadurch unkonzentriert. Viele Verkehrsteilnehmende stehen unter enormem Zeitdruck. All dies wirkt sich auf den Straßenverkehr aus. Auch sogenannte Elterntaxis, wie wir sie heute kennen, gab es damals noch nicht.

Welche Gefahren sehen Sie konkret?

Immer mehr Fahrzeuge und Fußgängerinnen und Fußgänger müssen sich den vorhandenen Straßenverkehrsraum teilen. Autos sind größer geworden und brauchen mehr Parkraum. Bei den Fahrrädern gibt es immer mehr größere Lastenräder, die sich den knappen Platz auf den Radwegen mit anderen Fahrrädern und E-Scootern teilen müssen. Das erfordert ein hohes Maß an Rücksichtnahme und verantwortungsbewusstem Miteinander, das nicht alle Verkehrsteilnehmende gleichermaßen leisten können und wollen. Ich denke hier zum Beispiel an die überall achtlos abgestellten E-Scooter in der Innenstadt von Hannover, die die Gehwege blockieren und damit insbesondere für ältere und beeinträchtigte Menschen zum Unfallrisiko geworden sind.

Seit Mitte 2023 wird die Ausbildung in Hannover komplett von der Polizei übernommen. Zuvor haben Sie für die Theorie mit der Verkehrswacht zusammengearbeitet. Was beinhaltet die Ausbildung der Schülerlotsinnen und -lotsen?

Die Ausbildung dauert zwei Tage. Im theoretischen Teil geht es um die Aufgaben der Schülerlotsinnen und -lotsen: Was dürfen sie, was dürfen sie nicht? Es geht um das Verkehrssystem, um Regel- und Zeichenkenntnisse, um Geschwindigkeiten, Entfernungen und um Anhaltewege. Wir erklären, was Reaktionszeit und Bremsweg sind und wie lang sie bei verschiedenen Fahrzeugen und Geschwindigkeiten ausfallen. Gerne gehen wir mit den Kindern auch nach draußen, um den Verkehr zu beobachten und abzuschätzen, wie schnell die vorbeifahrenden Autos sind. Wichtig ist nämlich: Bei welchem Abstand der Fahrzeuge können die jungen Verkehrshelfer gefahrlos die Straße betreten, um anderen Kindern das Überqueren zu ermöglichen?

Was dürfen Schülerlotsen und -lotsinnen und was nicht?

Das erfahren Sie im Interview mit Detlef Meese von der Verkehrswacht Hannover.

Worauf kommt es dabei genau an?

Es ist wichtig, Blickkontakt mit den Fahrzeugführenden aufzunehmen. Hier gilt das 3-A-Training: Alter, Aufmerksamkeit, Absicht. Wie alt ist die Person? Hört sie, was um sie herum passiert, und sieht sie mich? Wohin will die Person fahren?

Die Schülerlotsinnen und -lotsen müssen aber auch die Mitschülerinnen und Mitschüler im Auge behalten. Kinder warten nicht so ruhig wie Erwachsene, wenn sie die Straße überqueren wollen. Sie sind laut, bewegen sich, spielen vielleicht sogar oder schubsen sich. Für die Schülerlotsinnen und -lotsen sind das viele Aufgaben, an die sie gleichzeitig denken müssen.

Die Verantwortung, die die Lotsinnen und Lotsen damals wie heute tragen, ist groß. Mit welchen Schwierigkeiten sehen sie sich konfrontiert?

Die Schülerlotsinnen und -lotsen machen überwiegend gute Erfahrungen. Sowohl seitens der Mitschülerinnen und Mitschüler, der Eltern, der Lehrerinnen und Lehrer, wie auch der Verkehrsteilnehmenden. Sie bekommen Respekt und viel Lob für ihren geleisteten Dienst. Natürlich gibt es auch Verkehrsteilnehmende, die sich aufregen und ihren Unmut auslassen. Aber hier lernen sie von den erfahrenen Schülerlotsinnen und -lotsen, ruhig und gelassen zu bleiben und den Überblick nicht zu verlieren.

Oft ist es das erste soziale Ehrenamt im Leben junger Menschen. Wie herausfordernd ist ihre Aufgabe?

Schülerlotsinnen und -lotsen müssen viel leisten. Wenn sie ihren Dienst beginnen, müssen sie früher aufstehen und bei Wind und Wetter auf der Straße stehen. Sie brauchen eine gute Portion Selbstbewusstsein und Durchsetzungsvermögen gegenüber Schülerinnen und Schülern, aber auch gegenüber erwachsenen Verkehrsteilnehmenden. Dabei müssen sie auch unter Stress Ruhe und Übersicht bewahren.

Gibt es bei der Arbeit als Schülerlotse auch brenzlige Situationen?

Die Schülerlotsen Jannes und Fabian erzählen von ihrem Alltag als Schülerlotsen. Hier geht es zum Interview.

Wie unterstützt die Polizei die Schülerlotsinnen und -lotsen im Alltag?

Unsere Aufgabe ist es, immer wieder zu üben, Ruhe reinzubringen, und zu vermitteln, wie sie die Situation gut meistern können. Meistens klappt das nach ein paarmal üben. Und wenn Neulinge dann das erste Mal mit erfahrenen Schülerlotsinnen und -lotsen im Einsatz sind, lernen sie schnell und kommen mit ihrer neuen Aufgabe gut klar. Das ist immer wieder schön zu beobachten.

Außerdem besuchen und begleiten wir die Schülerlotsinnen und -lotsen regelmäßig. Dann können sie Fragen stellen, die sich oft erst bei der Ausübung der Tätigkeit ergeben. Hier bleiben wir mit der verantwortlichen Lehrkraft in Kontakt. Viele Fragen können wir dann direkt vor Ort klären.

Wofür möchten Sie die jungen Ehrenamtlichen sensibilisieren?

Die Teilnahme am Straßenverkehr erfordert ständige Vorsicht und gegenseitige Rücksichtnahme. Nicht jede Fahrerin oder jeder Fahrer ist morgens ausgeschlafen. Vielleicht haben sie Ärger gehabt, Zeitnot oder sind durch das Handy abgelenkt. Auch das Wetter spielt eine große Rolle. Ist die Straße trocken, nass oder gar glatt? Im Winter ist das Auto möglicherweise noch nicht richtig von Schnee und Eis befreit. Eingeschränkte Sicht oder defekte Beleuchtung kann die Verkehrssicherheit zusätzlich beeinträchtigen.

Ein Tipp für Eltern

In den meisten Großstädten gibt es Schulwegpläne. Darauf sind Gefahren, aber auch gute Querungsmöglichkeiten eingezeichnet. Das kann eine gute Entscheidungshilfe sein, welchen Schulweg das Kind nehmen soll. Weitere Informationen finden Sie auf der Website Ihrer Stadt.

Was wünschen Sie sich für einen sicheren Schulweg und für den Straßenverkehr?

Ich wünsche mir, dass die Verkehrsteilnehmenden achtgeben, vor allem auf Kinder, aber auch auf schwächere Verkehrsteilnehmende im Allgemeinen. Ich wünsche mir, dass gegenseitige Rücksichtnahme und vorausschauendes Fahren selbstverständlich sind. Und ich wünsche mir, dass Kinder, die mit dem Auto zur Schule gebracht werden, an so genannten Elterntaxihaltestellen oder, wenn es keine gibt, in angemessener Entfernung von der Schule aus dem Auto aussteigen. So entstehen durch die Elterntaxis keine neuen Gefahren für die Kinder, die zu Fuß gehen. Ich wünsche mir, dass die Eltern ihren Kindern den Schulweg zutrauen und sie dadurch mehr Bewegung, mehr Freiheit und mehr Selbstvertrauen bekommen.

Bilder: Deutsche Verkehrswacht e. V., Polizei Hannover