Nachts unterwegs mit der Autobahnpolizei

Zwischen Lkw-Kontrolle und getarnter Geschwindigkeitsmessung: Im Einsatz mit den Dresdner Kolleginnen und Kollegen.

29. November 2022
10 Minuten

Es ist 4.30 Uhr morgens. Im Revier trinken Romy S. und Enrico B. den zweiten Kaffee in dieser Nacht. Kurz durchatmen, bevor die Sonne aufgeht und sie zu den letzten Kontrollen aufbrechen. Hinter beiden liegt eine Nacht mit Trunkenheitsfahrten, Einbruchsmeldungen sowie einsichtigen und uneinsichtigen Verkehrssündern - oder wie sie selbst sagen: Eine ganz normale Nachtschicht bei der Autobahnpolizei.

Während die Sonne hinter dem Parkplatz des Autobahnreviers verschwindet, füllen sich die Parklücken mit Streifenwagen und Kleinbussen. Die Nacht beginnt mit sommerlichen 28 Grad sowie dem letzten Blick in große Taschen und sperrige silberne Tragekoffer: Die Kolleginnen und Kollegen der Autobahnpolizei kontrollieren ihre Ausrüstung, damit es losgehen kann. 

Derweil hat Enrico B. sich zurückgezogen. Er sichtet die Berichte der vorherigen Schicht: Welche Unfälle gab es im Einsatzgebiet, welche Neuigkeiten hat das FLZ übermittelt - das zentrale Führungs- und Lagezentrum der Polizei Dresden. Auch der Dienstgruppenführer überprüft den Einsatzkoffer seines Streifenwagens: Alkoholmessgerät, Drogentest, Kamera, Messstab – alles da und funktionstüchtig. Selbst eine Maschinenpistole und schusssichere Westen gehören zur Ausstattung. Im Falle einer lebensbedrohlichen Einsatzlage, zum Beispiel eines Amoklaufes, sind die Beamtinnen und Beamten gut gesichert. Auch bei einem Wildunfall hilft ihre gute Schutzausrüstung, um beispielsweise größere verletzte Tiere schnell von ihrem Leiden zuerlösen. Kollegin Romy S. stellt die Arbeitsgeräte in den Einsatzwagen. Heute Nacht sind beide gemeinsam auf Streife. 

Die erste Tasse Kaffee 

Bei einer gemeinsamen Tasse Kaffee um 22 Uhr wird die Lage besprochen. Danach schwärmen die drei Streifenwagen aus, die heute im Autobahngebiet rund um die sächsische Landeshauptstadt unterwegs sind – und eine ereignisreiche Nacht vor sich haben werden.  

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Und dann geht es auch schon zum ersten Einsatz.
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Vor der Schicht auf der Autobahn wird die Ausrüstung, beispielsweise der silberne Einsatzkoffer, überprüft.
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Darin enthalten sind unter anderem Alkohol- und Drogentest. Außerdem eine Kamera und weitere Hilfsmittel.
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Wo geht es heute hin? Enrico B. und Romy S. beraten sich.
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Zur Polizeiarbeit gehört auch die Bearbeitung der Vorgänge.
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Und dann geht es auch schon zum ersten Einsatz.
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Vor der Schicht auf der Autobahn wird die Ausrüstung, beispielsweise der silberne Einsatzkoffer, überprüft.

Es dauert nicht lang, bis die beiden einen Kleintransporter auf den Parkplatz einer Tankstelle lotsen. Eine Stichprobe. Am Steuer sitzt ein junger Mann aus Polen. Enrico B. fällt auf, dass der Fahrer ohne Schuhe unterwegs war. Ohne festes Schuhwerk kann eine Autofahrt schnell gefährlich werden, da man zum Beispiel vom Bremspedal abrutschen und der Wagen ungewollt weiterfahren kann. Sie weisen ihn auf die Gefahr hin und kontrollieren die ordnungsgemäß gesicherte Ladung. Alle benötigten Dokumente sowie Führerschein und Fahrzeugpapiere liegen vor. Allerdings fehlt der Nachweis über Lenk- und Ruhezeiten, der im gewerblichen Güterverkehr vorgeschrieben ist. Ohne Diskussion zahlt der junge Fahrer vor Ort ein Bußgeld in Höhe von 150 Euro. Romy S. bereitet alle Unterlagen vor und hat dazu im Kofferraum des Wagens einen kleinen Arbeitsplatz eingerichtet. 

Personenüberprüfung, Betroffenenanhörung im Bußgeldverfahren, eine Belehrung in polnischer Sprache – ein besonderer organisatorischer Aufwand, da es sich um einen ausländischen Verkehrsteilnehmer handelt. Abschließend wird seine Fahrtüchtigkeit mit einem Alkohol- und Drogentest bestätigt. Außerdem händigen sie dem Fahrer ein Tageskontrollblatt aus, welches die Weiterfahrt ermöglicht. In der Vorlage kann er seine Pause notieren. Rund eine Stunde später, es ist jetzt kurz vor Mitternacht, ist die Überprüfung beendet. Der Sachverhalt erhält die Auftragsnummer 516 – die Zahl steht für die Anzahl der an diesem Tag aufgenommenen Aufträge in der gesamten Dresdner Polizeidirektion. Der Tag war turbulent, die Nacht ist ruhiger.  

„Natürlich dauern die Kontrollen etwas länger. Aber ohne Kontrollen gibt es auch keine Verkehrssicherheit“, erklärt Enrico B.Die Bürokratie gehört zum Job dazu. Eine ausführliche Dokumentation ist bei jedem Bußgeld und jeder Strafanzeige verpflichtend. Zusätzlicher Aufwand für die Diensthabenden. „Ruhigere Einsatzlagen nutzen wir für diese Büroarbeit“, erklärt der Polizist.  

Ohne Kontrollen keine Verkehrssicherheit.

Per Funk tauschen sich Enrico B. und Romy S. immer wieder mit den anderen Teams aus. Bisher sei aufgrund der Sommerferien wenig los, erklärt Enrico B. Daher können die Einsatzkräfte ihre Tätigkeit freier gestalten. „Das gefällt mir besonders am Dienst auf der Autobahn. Wir können uns unsere Aufgaben selbst suchen und mit der Verkehrsüberwachung für mehr Sicherheit sorgen“, erklärt der Dresdner, der seit über elf Jahren im Polizeidienst ist.  

Bis Brandenburg und Tschechien 

Schnell kommen im nächtlichen Einsatz über 300 Kilometer zusammen, die die Beamtinnen und Beamten zurücklegen. Denn insgesamt fünf Autobahnabschnitte fallen in das Gebiet ihres Reviers, welches knapp 150 Kilometer umfasst. Es reicht beispielsweise im Norden von der A13 bis zur Landesgrenze Brandenburgs und im Osten von der A17 bis an die Tschechische Republik. Dazwischen liegen weitere Streckenteile samt ihrer Unfallschwerpunkte. An diesen sind die Beamtinnen und Beamten besonders präsent. Denn überhöhte Geschwindigkeit, Ablenkung und fehlender Sicherheitsabstand sorgen immer wieder für Zusammenstöße – vor allem im Baustellenbereich. „Wenn man sich einfach nur auf das Fahren konzentrieren und an die Regeln halten würde, kommen alle sicher an“, sagt Romy S. Ihr Kollege empfiehlt allen Personen, die ein Fahrzeug bewegen, ein Fahrsicherheitstraining zu absolvieren. „Es ist sehr wichtig, das eigene Gefährt zu beherrschen.“  Das Duo fährt weiter durch die Nacht, vorbei an einem Schwerlasttransport. „Auch diese sperrigen Überführungen müssen wir manchmal absichern“, erklärt Romy S. Die Abwechslung gefalle ihr besonders im Dienst auf der Autobahn. „Das fordert und fördert.“ Vor allem, wenn sie zu ungewöhnlichen Einsätzen wie einer tierischen Schwanenrettung auf der Fahrbahn gerufen werden.  

„Des Bürgers Not ist unsere Pflicht.“ 

Der erste Notruf geht ein. Eine Sicherheitsanlage meldet einen Einbruchsalarm. Zügig wechseln sie die Richtung und steuern ein Gymnasium in Wilsdruff an. Vor Ort schnappen sich die beiden ihre Taschenlampe und laufen mehrere Runden über das Gelände. Fehlanzeige. Hier wirkt nichts verdächtig. Nochmal tauschen sie sich per Funk mit der Wache aus. Eine neue Adresse, wenige hundert Meter weiter. In einem verlassenen Gewerbegebiet treffen sie auf Kollegen vom Revier. In Teams überprüfen sie gemeinsam das Gelände, eine größere Halle und einen angrenzenden Flachbau. Schließlich sind gegenseitige Ab- und Eigensicherung im Einsatz essenziell. Darüber sensibilisiert Enrico B. in jeder Lagebesprechung. Alles ruhig, Entwarnung. Die einzelnen Streifenwagen füllen sich wieder.  

Adrenalin pur 

Prompt eine neue Meldung per Funk: Verdacht auf eine Trunkenheitsfahrt. Ein Verkehrsteilnehmer berichtet, dass der Wagen vor ihm leichte Schlangenlinien fährt. Die Brandenburger Polizei braucht Verstärkung. Augenblicklich sichern die Dresdner ihre Unterstützung zu. Blaulicht an, Geschwindigkeit auf 180 km/h. In der Nähe der Landesgrenze zu Brandenburg treffen sie auf die Kolleginnen und Kollegen sowie auf den Verdächtigen. 0.96 Promille zeigt das Alkoholmessgerät an. Einen genaueren Wert liefert die Untersuchung im Revier, deswegen fahren nun alle gemeinsam nach Dresden. Laut geeichtem Alkomaten war der Fahrer mit 0.92 Promille unterwegs. Er muss mit 2 Punkten in Flensburg, einem Bußgeld in Höhe von 500 Euro und einem Monat Fahrverbot rechnen. Der Fahrer wirkt wenig begeistert. Sein Auto bleibt in dieser Nacht in Brandenburg stehen. 

Kurze Pause im Revier. Romy S. und Enrico B. stellen den Streifenwagen ab und betreten eine Garage. Drei Wagen mit ortsfremden Kennzeichen sind hier abgestellt. Bei den Pkws handelt es sich um sogenannte ProViDa („Proof Video Data System“). Die zivilen Fahrzeuge ermöglichen eine unauffällige Verkehrsüberwachung. „Auf diese Weise können wir zum Beispiel eine Geschwindigkeitsübertretung im fließenden Verkehr genaustens messen“, erklärt die Polizistin.  

Moderne Videotechnik  

Im ProViDa-Wagen verbringen die beiden die zweite Hälfte ihrer Schicht. Mittlerweile ist es kurz nach 3 Uhr. Bevor es wieder auf die Autobahn geht, machen sie Halt an einer Tankstelle und prüfen die geeichte Technik vor dem Einsatz. Romy S. testet nochmal den Reifendruck, alle Vorgaben werden exakt beachtet. Schließlich müssen die Aufnahmen, die sie in den nächsten vier Stunden machen werden, genau und verwertbar sein. Ihr Kollege hat zuvor alle Kameras, Eich- und Sicherungssiegel sowie das Aufnahmeband gesichtet. Die aufgenommenen Videos dienen später als Beweismittel zum Beispiel vor Gericht. Keine Auffälligkeiten, Weiterfahrt auf die Autobahn.  

ProViDa: So funktioniert die Geschwindigkeitsmessung

Der zivile Polizeiwagen folgt einem Fahrzeug, dann wird die Videoaufnahme gestartet. Um eine genaue Messung zu ermöglichen, wird konstant über mindestens 500 Meter derselbe Sicherheitsabstand zum voranfahrenden Wagen gehalten. Die verbaute Kamera dokumentiert dabei die Geschwindigkeit und gibt später einen Durchschnittswert über die zurückgelegte Strecke an. Dann wird der Abstand zwischen den Fahrzeugen kontrolliert. Das zeigt, ob der vordere Pkw im gemessenen Abschnitt möglicherweise noch schneller geworden ist. Abschließend wird eine Aufnahme vom amtlichen Kennzeichen des Wagens gemacht.  

Ein wenig später folgt die erste Geschwindigkeitsmessung. Alles regelkonform: Das überwachte Auto hält sich an die Geschwindigkeitsvorgabe. Zeit für eine Kontrolle auf dem Raststätten-Parkplatz. Bereits bei der Einfahrt fällt auf, dass zwischen vielen Lkws nur wenig Platz für andere Verkehrsteilnehmende bleibt. Es dauert nicht lang und die beiden entdecken zwei Männer, die alte Motoren und Getriebe verladen. Die Autobahnpolizistin und ihr Kollege geben sich zu erkennen. Romy S. überprüft die Personalien der beiden Männer, parallel kontrolliert Enrico B. die Kaufverträge der ungefähr 20 Maschinen. Sie stammen von einem Autohaus. Alles in Ordnung, die Männer können weiterfahren.  

In einem Baustellenbereich startet das Team die nächste Messung. Ein weißer Pkw hält sich nicht an die zulässige Höchstgeschwindigkeit von 60 km/h. „Und los“, gibt Enrico B. das Zeichen. Seine Kollegin sitzt am Steuer und hält während des Messzeitraums den Abstand zum verdächtigten Schnellfahrer. Auch in den folgenden Streckenabschnitten mit zulässiger Höchstgeschwindigkeit von 80 km/h bzw. 100 km/h fährt der Wagen rasant. Das Ergebnis? Im Durchschnitt rund 21 km/h zu schnell.  

Die Fahrt ins Ungewisse 

Der ProViDa-Wagen überholt das überwachte Fahrzeug. Blaulicht und ein ausklappbares Schild mit dem Schriftzug „Polizei, bitte folgen“ enttarnen das polizeiliche Messfahrzeug. Der Pkw folgt den Beamten für eine Kontrolle abseits der Autobahn. Er wollte aus dem Urlaub schnell nach Hause fahren, erklärt der Pkw-Fahrer. Ein kurzer Check der Papiere zeigt, der Fahrer aus Berlin hat seinen Führerschein nicht dabei. Zur genaueren Überprüfung fahren alle gemeinsam ins Revier. Dort erhält er weitere Unterlagen, denn der Fahrer muss seinen Führerschein bei der Berliner Polizei vorlegen. Eine Bußgeldanzeige und rund eine Stunde Zeitverlust hat ihn diese Ordnungswidrigkeit gekostet.  

Bis 6 Uhr morgens werden Romy S. und Enrico B. noch unterwegs sein. „Der Körper gewöhnt sich nicht an diesen Wechsel zwischen den Schichten“, sagt der Dienstgruppenführer. „Aber da jeder Tag auf der Autobahn sowieso Neues bringt, ist das mit Gewohnheit so eine Sache.“ 

Bilder: Jürgen Lösel