Rein ins Auto und raus aus der Gewohnheit

Ein Pkw-Fahrsicherheitstraining zeigt, worauf es am Steuer ankommt, und macht fit für brenzlige Situationen.  

01. Februar 2022
5 Minuten

Wer oft hinter dem Steuer eines Fahrzeuges sitzt, kennt die tägliche Routine. Doch ein Fahrsicherheitstraining zeigt selbst erfahrenen Autofahrenden, dass sie noch etwas dazulernen können. 

Zwölf Teilnehmende dürfen sich in verschiedenen Manövern wie Slalom, Gefahrenbremsung oder auf der Kreisbahn üben. Auch Sarah hat sich für das Training angemeldet. Warum eigentlich? Im Straßenverkehr fühle sie sich meist sicher, erklärt die 34-Jährige und fügt hinzu: „Aber genau da sehe ich die Schwierigkeit. Ich möchte mich nicht auf bisherige Erfahrungen verlassen, sondern auf kritische Situationen vorbereitet sein.“ Vor allem auf Manöver, die nicht tagtäglich erforderlich sind, freue sie sich. 

Gefahren frühzeitig erkennen

Trainerin Maria Brendel-Sperling stimmt die Teilnehmenden schon mal darauf ein, was sie erwartet: „Ihr bereitet euch auf Dinge und Situationen vor, die hoffentlich nie passieren.“ Alle zwölf möchten ihre Reaktionsfähigkeit in Extremsituationen austesten. „Ich würde gern mein Wissen auffrischen und lernen, wie ich mein Auto kontrollieren kann, wenn es zum Beispiel in der Kurve ausbrechen sollte“, erläutert ein Teilnehmer seine Motivation. 

Bevor es auf den Platz geht, gilt es, die optimale Sitzposition zu finden. Was dabei hilft? Eine echte Faustregel: Sarah sitzt aufrecht und mit geballter Faust auf dem Kopf in ihrem Auto. „So spürt ihr am besten, wie viel Abstand ihr zum Autodach habt, und stoßt zum Beispiel bei einer Bodenwelle nicht mit dem Kopf oben an“, erklärt Maria. Um optimal gesichert zu sein, soll die Oberkante der Kopfstütze mit dem Kopfende direkt abschließen. Die Höhe stimmt, weiter geht es mit dem Abstand zum Lenkrad. „Bitte achtet darauf, dass ihr aufrecht sitzt und guten Kontakt zur Rückenlehne haltet. Dabei sollten Arme und Beine leicht angewinkelt sein“, mahnt die Expertin. Sarah passt ihre Rückenlehne an. Dann fehlt nur noch der Gurt. Ein Punkt, der Maria besonders wichtig ist, schließlich sind Gurtmuffel schon bei kleinen Unfällen stark gefährdet. „Nach wie vor gibt es leider zu viele Tote unter den Gurtmuffeln.“ Und noch ein Tipp: „Damit beim Anschnallen nichts schiefgeht, sollte man hinter dem Steuer keine dick wattierte Jacke tragen – da der Gurt sonst nicht körpernah aufliegt.“ 

Richtiges Lenken ist gar nicht so einfach

Nach der Einweisung steht die erste Übung an. Die Wagen schlängeln sich wie eine lange Perlenkette entlang des Übungsplatzes. Zu Beginn geht es in den Slalom. Die Fahrexpertin gibt ihre Anweisungen per Funk. Maria schaut skeptisch. Die Gruppe hat Nachholbedarf beim Lenken: „Hier sind einige Tellerwäscher unterwegs. Mit dem Handballen zu lenken ist nicht sicher“, gibt sie zu bedenken und erklärt gleich, wie es richtig geht: „Beide Hände fest ans Lenkrad und nicht überkreuzen! Stellt euch ein Ziffernblatt vor: Die linke Hand gehört auf die 9, die Rechte auf die 3“. Auch Sarah kann sich noch verbessern. „Du darfst nicht warten, bis das Lenkrad aus der Kurve zurück in die Ausgangsposition kommt. Du musst aktiv steuern“, so Marias Rat. Es folgen weitere Runden im Slalom. „Anfangs fiel es mir schwer, die Hände nicht zu überkreuzen“, seufzt Sarah, „aber ich habe verstanden, was sie meint.“   

Bevor sich die Gruppe in weiteren Manövern übt, wirft die Expertin einen Blick auf die Reifen. „In Deutschland haben wir eine situative Winterreifenpflicht“, erläutert sie. Das heißt: Sind die Straßen verschneit oder gar vereist, muss man mit Winterreifen unterwegs sein. Und bei denen sei die Zusammensetzung des Materials anders: „In der kälteren Jahreszeit muss die Mischung der Reifen weicher sein, im Sommer würden die Lamellen hingegen zu stark abreiben, der Verschleiß wäre zu hoch.“ 

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Trainerin Maria Sperling überprüft die Reifen der Teilnehmenden.
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Die Trainerin stimmt die Teilnehmenden auf das Pkw-Fahrsicherheitstraining ein.
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Um richtig zu lenken, müssen Autofahrende das Lenkrad mit beiden Händen fest greifen und aktiv steuern.
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Trainerin Maria Sperling überprüft die Reifen der Teilnehmenden.
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Die Trainerin stimmt die Teilnehmenden auf das Pkw-Fahrsicherheitstraining ein.

Nach diesem kleinen Exkurs steht die Königsdisziplin auf dem Übungsplan: die Gefahrenbremsung. Getestet wird auf nassem Untergrund. Woher weiß man, dass man richtig gebremst hat? „Man muss etwas hören, wenn ihr bremst“, sagt die Fachfrau. Stichwort Antiblockiersystem (ABS): Die Fahrenden müssen spüren, wie die Bremsen richtig greifen und das technische Hilfssystem reagiert. Denn trotz starken Bremsens können die Teilnehmenden den Wagen weiterhin lenken und kontrollieren. Nun kommt es auf eine schnelle Reaktion an. Schnell und fest die Bremse durchtreten, bis der Wagen zum Stillstand kommt, fast als würde man eine Coladose kaputt treten. Auf gerader Strecke erhöht Sarah die Geschwindigkeit nun auf 50 Kilometer pro Stunde. Orange leuchtende Verkehrskegel am Seitenrand der Fahrbahn markieren den Bremspunkt. Der Überraschungseffekt ist dadurch zwar eher klein, Spaß macht es trotzdem. Und dann ist es so weit: Bereits der erste Durchgang gelingt. „Boah, das merkt man schon im ganzen Körper“, staunt Sarah. Die Bremslichter an ihrem Wagen flackern deutlich auf und warnen so den rückwärtigen Verkehr. Trainerin Maria lächelt Sarah hinterher und streckt den Daumen hoch. 

Hütchenspiel

Wie wichtig die Brems- und Reaktionsgeschwindigkeit ist, erfährt die Gruppe bei der nächsten Demonstration. Alle sollen nun den Bremsweg schätzen. Dafür positionieren sie Hütchen entlang der Übungsstrecke. Ein Wagen erhöht auf ungefähr 70 km/h und bremst dann plötzlich. Erst nach rund 25 Metern kommt er zum Stehen. Wer von den Teilnehmenden hier den Kegel abgestellt hat, liegt richtig. „Als Faustregel gilt eine Sekunde Reaktionszeit“, erläutert Maria. „Und dafür darf man nicht abgelenkt sein, das heißt: kein Handy, kein Radiosenderwechsel.“ 

Oft wird der Bremsweg im realen Straßenverkehr falsch eingeschätzt – und dabei sind äußere Bedingungen wie eine vereiste oder rutschige Fahrbahn noch nicht mitgedacht. Doch wie sich das Fahren auf nassem, glattem Untergrund verändert, wird nun erlebbar. Eine weiße Kunststoffplane und jede Menge Wasser verwandeln die Strecke in eine Gleitfläche. 

Sarah beschleunigt auf 50 km/h und kommt nach der Gleitfläche zum Stehen. Die Gefahrenbremsung auf glatter Fläche ist für sie kein Problem. Und auch die Situation, bei der der Wagen nur einseitig auf der Gleitfläche fährt, bewältigt sie durch gezieltes Bremsen und rechtzeitige wohldosierte Lenkkorrekturen. Das Auto bleibt auch bei einseitiger Bewässerung gerade stehen. 

Vertrauen – in die eigenen Fähigkeiten und ins Fahrzeug

Nach der Gefahrenbremsung folgen Bremsen und Ausweichen – einmal auf griffiger und einmal auf glatter Fahrbahn. Vor allem beim Ausweichen am Stauende gilt es, richtig die Kurve zu bekommen. „Links!“, gibt die Trainerin über ihr Funkgerät an Sarah durch. Die lenkt den Wagen spontan in die richtige Richtung und drückt schnell und kräftig auf die Bremse. Sicher bringt sie den Wagen zum Stehen. 

Zum Abschluss geht es auf die Kreisbahn. Hier ist gute Konzentration gefragt, um bei steigender Geschwindigkeit das Fahrzeug präzise in der Spur zu halten. „Das war schon eine Herausforderung, insbesondere, wenn man nicht auf seiner Lieblingsseite fährt.“

Das Training hat total Spaß gemacht – und ich habe jetzt definitiv mehr Vertrauen in mich und mein Auto.

Was Sarah vom Tag mitnimmt? „Das Training hat total Spaß gemacht – und ich habe jetzt definitiv mehr Vertrauen in mich und mein Auto“, erklärt sie. Fazit:  Routine hilft auf der Straße. Aber ein Fahrtraining zeigt, dass auch erfahrene Autofahrende noch etwas dazulernen können. 

Bilder: Lucas Wahl