Vom Spielzeug zum Verkehrsmittel

Wie bereitet man Kinder auf dem Rad auf den Straßenverkehr vor? Zehn Tipps für Eltern.

10. Oktober 2018
5 Minuten

Junge Radfahrer unter 15 Jahren kommen im Straßenverkehr häufig zu Schaden. Allein 2018 sind über 10.000 Rad fahrende Kinder bei Verkehrsunfällen verunglückt. Das geht aus den Erhebungen des Statistischen Bundesamtes (Destatis) hervor. Um das Unfallrisiko von jungen Verkehrsteilnehmern zu senken, sollten Eltern ihre Kinder behutsam an den Straßenverkehr heranführen – indem sie das Radfahren fernab vom fließenden Verkehr üben. Zehn Tipps für Mütter und Väter.

1. Sicherheit beginnt beim Fahrrad

Damit junge Radler sicher unterwegs sind, sollten Eltern unbedingt auf die richtige Größe des Fahrrads achten. Das Kind sollte – wenn es auf dem Sattel sitzt – mit beiden Beinen bequem auf dem Boden stehen und den Lenker in aufrechter Position bedienen können. Außerdem muss das Modell unter anderem über Klingel sowie Vorder- und Hinterrad-Bremsen verfügen. Ebenfalls vorgeschrieben sind ein Scheinwerfer, ein weißer Rückstrahler, gelbe Rückstrahler in den Pedalen, je zwei gelbe Reflektoren in den Rädern, ein rotes Rücklicht mit Rückstrahler und optional ein roter Rückstrahler. 

2. Beim Fahrradhelm auf die EN-Norm achten

Gesetzlich ist der Helm zwar nicht vorgeschrieben. Dennoch sollten junge Radler immer einen Kopfschutz tragen. Das betrifft auch Eltern, die ein wichtiges Vorbild für ihre Kinder sind. Die Realität zeigt jedoch: Nur die wenigsten schützen ihren Kopf. Laut der Bundesanstalt für Straßenwesen (BASt) trugen im Jahr 2017 nur 19 Prozent aller Fahrradfahrer einen Helm. Bei Kindern zwischen sechs und zehn Jahren lag die Quote immerhin bei 72 Prozent. Damit der Fahrradhelm zuverlässig schützt, muss er der Norm EN 1078 (CE) entsprechen. Diese Angabe befindet sich meist in der Innenseite des Modells. Wichtig: Der Helm darf nicht rutschen und sollte gut sitzen. Damit Kinder den Kopfschutz gut annehmen, sollten sie ihn selbst mitaussuchen. Auch sollte der Helm nach einem Sturz oder 5-7 Jahren ausgetauscht werden.

3. Sichtbarkeit erhöhen

Kinder sollten – wie Erwachsene auch – im Straßenverkehr so sichtbar wie möglich auf dem Fahrrad sein. Eltern achten stets darauf, dass die Beleuchtung am Rad ihres Kindes funktioniert und Jungen und Mädchen Kleidung aus reflektierendem und fluoreszierendem Material tragen. Ebenfalls sinnvoll: Sicherheitsreflektoren an Helm und Kleidung.   

4. Auf die Gehwegpflicht achten

Radwege sind für Radfahrer bis zum vollendeten achten Lebensjahr tabu. Sie müssen den Gehweg nutzen. Die einzige Ausnahme: Wenn es einen von der Fahrbahn baulich abgetrennten Radweg gibt, dürfen Mädchen und Jungen auch diesen benutzen. Zwischen dem achten und zehnten Lebensjahr dürfen Jungen und Mädchen sowohl Gehwege als auch Radwege nutzen. Empfehlung ist jedoch, auf dem Gehweg zu bleiben, um im geschützten Raum zu üben. Fahrradstraßen gelten als normale Straßen. Auch hier fahren Kinder auf dem Gehweg.    

5. Erst zu Fuß begleiten, dann auf dem Rad

Wenn Kinder die ersten Fahrversuche auf dem Gehweg machen oder noch unsicher sind, ist es sinnvoll, sie zunächst zu Fuß zu begleiten. Dabei nah beim Kind bleiben, um Tipps und Hinweise zu geben und gegebenenfalls einzugreifen. Später steigen Eltern am besten auch aufs Rad. Als Begleitperson dürfen erwachsene Radfahrer seit 2016 ebenfalls den Gehweg benutzen, müssen jedoch Rücksicht auf Fußgänger nehmen. Wer am besten vorfährt? Das hängt von den Fähigkeiten des Kindes ab: Achtet es beispielsweise auf Einfahrten? Hat es Fußgänger und andere Verkehrsteilnehmer im Blick? Wenn ja, ist es Zeit, den Nachwuchs vorfahren zu lassen. So haben Erwachsene ihre Kinder im Blick. Bei unbekannten Strecken fahren Eltern jedoch besser vor. Dabei das Tempo dosieren und Kinder nicht unter Druck setzen. Das Wichtigste ist: Geduld bewahren und nicht schimpfen, denn Radfahren ist eine motorisch anspruchsvolle Aufgabe, die viel Übung bedarf, insbesondere wenn die vielfältigen Anforderungen auf dem Gehweg hinzukommen: Fußgänger, Hunde, Einfahrten, Behinderungen durch Autos oder Mülltonnen, Querungen und vieles mehr. Da ist es ganz normal, dass Mädchen und Jungen manche Hinweise und Tipps auch wieder vergessen. 

6. Wahl der Wege

Treten, bremsen, lenken, das Gleichgewicht halten, die Umgebung wahrnehmen: Junge Radler müssen sich auf viele Dinge konzentrieren. Umso wichtiger, Kinder nicht zu überfordern und gut befahrbare Wege auszuwählen. Am besten auf breiten Abschnitten fahren, die keine baulichen Mängel haben – etwa Schlaglöcher oder Unebenheiten. Ebenfalls abschüssige Wege vermeiden. Außerdem bedenken: Kinder unter zehn Jahren schätzen Geschwindigkeiten noch nicht richtig ein.

7. Wiederholen, wiederholen, wiederholen

Je öfter Kinder bestimmte Situationen wiederholen, desto größer ist die Wahrscheinlichkeit, Gelerntes im Kopf zu behalten. Immer wieder Abläufe erneut durchspielen: etwa das Rad vom Bordstein auf die Straße schieben, an Kreuzungen absteigen oder an Ein- und Ausfahrten das Tempo reduzieren. Ebenfalls empfehlenswert ist, mögliche Gefahrensituationen im Vorfeld zu besprechen. Kinder müssen stets damit rechnen, dass Autofahrer plötzlich die Tür öffnen, Fußgänger unvermittelt stehen bleiben oder Steine oder Gegenstände auf Wegen liegen. 

Die motorischen Fähigkeiten von Rad fahrenden Kindern können durch frühes und langfristig angelegtes Üben verbessert werden. Regelmäßige motorische Übungen zum Gleichgewicht, Bremsen oder zu Mehrfachhandlungen sind nicht nur am Beginn der Radfahrkarriere wichtig, sondern auch für größere Kinder von Nutzen, weil sich durch das Wachstum der Kinder oder den Wechsel von Fahrrädern die Verhältnisse stetig ändern. Diese durchaus kurzweiligen Übungen können bei den üblichen Wegen nebenbei oder gezielt mit Parcours oder auf Kindergeburtstagen durchgeführt werden.

8. Kinder kommentieren lassen

Auf den ersten Blick gewöhnungsbedürftig, doch sehr hilfreich: Eltern bitten ihre Kinder, ihre Handlungen zu kommentieren. Etwa beim Rechtsabbiegen zu sich selbst sagen: „Handzeichen geben und den rechten Arm ausstrecken.“ Auf diese Weise prägen sich junge Radler korrekte Verhaltensweisen ein. Anfangs übernehmen Erwachsene das Kommentieren. So geben sie Sicherheit – und Kinder versichern sich, dass sie richtig handeln.

9. Regeln aufstellen

Was ist erlaubt? Was nicht? Das klären Eltern am besten vor der Übungsrunde. Eltern sollten beispielsweise freihändiges Fahren untersagen oder ein bestimmtes Tempo vorgeben, das nicht überschritten wird. Später, wenn Kinder vorausfahren, können Eltern prüfen, ob der Nachwuchs die vereinbarten Regeln einhält.  

10. Wann Kinder haften

Sind Kinder an einem Unfall mit einem Pkw oder Schienenfahrzeug beteiligt, werden sie von der Haftung ausgeschlossen. Zumindest, wenn sie jünger als zehn Jahre alt sind. Demnach müssen sie sich bei eigenen Schadenersatzansprüchen kein Mitverschulden vorwerfen lassen. Geht es um Vergehen wie das Zerkratzen eines Fahrzeugs – also vorsätzlich herbeigeführte Beschädigungen – sind Kinder jedoch nur bis zum Alter von sieben Jahren von der Haftung ausgeschlossen. Der Abschluss einer Haftpflichtversicherung ist in jedem Fall sinnvoll.

Damit Kinder auf dem Fahrrad unversehrt bleiben, können auch andere Verkehrsteilnehmer einen Beitrag leisten – indem sie besondere Rücksicht nehmen. Für Pkw-Fahrer bedeutet das: In der Nähe von jungen Radlern bremsbereit sein und mit Fehlern rechnen. Besondere Aufmerksamkeit gilt beim Rechtsabbiegen. Als Autofahrer das Manöver rechtzeitig durch Blinken ankündigen, den Vorgang langsam einleiten und die Geschwindigkeit reduzieren. Jederzeit bremsbereit sein und bedenken, dass Radfahrer und Fußgänger, die auf oder neben der Fahrbahn in derselben Richtung unterwegs sind und ihren Weg geradeaus fortsetzen, immer Vorrang haben. Später vor dem Aussteigen außerdem an den „Holländischen Griff“ denken. Das heißt: Die Fahrertür beim Aussteigen mit der rechten Hand öffnen, sodass sich der Oberkörper automatisch nach links dreht. Dadurch schauen Fahrer über die Schulter auf die Straße. Der Beifahrer macht am besten mit der linken Hand die Tür auf. So behält er herannahende Radfahrer und Fußgänger auf dem Bürgersteig im Blick. Das Gleiche gilt auch für das Aussteigen von der Rückbank aus. 

 

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