Stressfrei durch den Stau

5 Tipps für das richtige Verhalten auf der Autobahn.

16. Dezember 2016
3 Minuten

50 Stunden im Jahr stehen deutsche Autofahrer durchschnittlich im Stau. Vor allem rund um die Ferienzeit wird es auf der Autobahn wieder stressig. Dabei ließe sich ein Stau in vielen Fällen vermeiden. Zwei Wissenschaftler erklären typische Denkfehler und geben Tipps für das richtige Verhalten am Steuer.

Eine Familie auf der Fahrt in die Ferien: Die Freude auf den lang ersehnten Urlaub ist groß, doch auf der Autobahn schiebt sich die Blechlawine nur schleppend vorwärts – Stau bis zum Horizont. „Paaapa, wann sind wir endlich da?“, quengeln die Kinder auf der Rückbank. Doch Papa weiß selbst noch keine Antwort. Zwar schaffen es viele Autofahrer durch die richtige Planung, solche Szenarien zu umgehen. Stehen sie dann doch mal im Stau, handeln sie aber oft irrational. Wie, erklären der Stauforscher Michael Schreckenberg und der Verkehrspsychologe Bernhard Schlag an fünf Beispielen.

Antizyklisch fahren: wochentags aufbrechen

Los geht es im Morgengrauen. Schon auf der Hauptverkehrsstraße in Richtung Autobahn gerät die Familie in zähfließenden Verkehr. Vielleicht wäre sie doch lieber nicht am Samstag gefahren wie die meisten Urlauber, sagt Michael Schreckenberg von der Uni Duisburg-Essen: „In der Woche fahren, aber nicht im Berufsverkehr“, empfiehlt der Stauforscher. Mit antizyklischem Verhalten komme man am besten durch. 

Alternativrouten einprägen: Stau umfahren

Er empfiehlt zudem, sich vor Fahrtantritt auf Basis der aktuellsten Verkehrsinformationen für eine Route zu entscheiden, sich jedoch auf der Straßenkarte die Alternativrouten einzuprägen, um gegebenenfalls einen Stau umfahren zu können – und auch, um bei Navi-Ausfällen handlungsfähig zu bleiben.

In der Kolonne hat man immer das Gefühl, dass zwei Mal so viele Fahrzeuge an einem vorbeifahren, wie man selbst überholt.

Stau vermeiden: Spur halten statt Lückenhüpfen

30 Minuten später als geplant ist die Familie auf der Autobahn. Und steht direkt im Stau. Der Vater meint, auf den Spuren links und rechts gehe es schneller. Ein rein psychologischer Effekt, sagt Schreckenberg: „Nach einer halben Stunde haben Sie immer noch dieselben Fahrzeuge um sich. Wer Kolonne fährt, hat immer das Gefühl, dass zwei Mal so viele Fahrzeuge an ihm vorbeifahren, wie er überholt.“ Dieses Gefühl täusche allerdings – das habe eine US-Studie gezeigt: „Man nimmt Autos, die einen überholen, stärker wahr als solche, die man selbst überholt“, so der Experte.

Der Vater beginnt, ständig die Spur zu wechseln – und zwingt damit andere zu unnötigem Bremsen. „Nach hinten führt das zu Stauwellen, die der Auslösende aber nicht mitbekommt“, erklärt Schreckenberg. Der Fahrer sollte besser die Spur halten und den Stau mit möglichst gleichförmiger Geschwindigkeit aushalten. Denn: „In dieser Schicksalsgemeinschaft, die da im Stau steht, ist der persönliche Vorteil nicht mehr zu realisieren“, sagt der Verkehrspsychologe Bernhard Schlag.

Stau entsteht in Wellen – etwa an einer Anschlussstelle – und wandert dann mit 15 Kilometern pro Stunde rückwärts.

Gleichmäßig fahren: ständiges Stop-and-go vermeiden

Der Vater will aber selber nicht für Lückenhüpfer weichen. Also klebt er fast an der Stoßstange des Vordermanns. Dabei sollte er eigentlich zusehen, „dass er nicht unbedingt bremsen muss, wenn der Vordermann bremst“, erklärt Stauforscher Schreckenberg. Das Ideal: „Möglichst harmonisch mitfließen.“ Das hilft den Festsitzenden auch psychologisch, sagt Bernhard Schlag: „Wenn Bewegung drin ist, wird der Stau nicht als so gravierend erlebt.“ Das gilt übrigens auch beim Reißverschlussverfahren, wenn es sich zum Beispiel vor einer baustellenbedingten Fahrbahnverengung staut: Spur ausfahren und am Ende geschmeidig einreihen. 

Wenn Bewegung drin ist, wird der Stau nicht als so gravierend erlebt.

Der Stau scheint sich aufzulösen, der Vater gibt Gas. Er riskiert dabei aber, unaufmerksam in die nächste Stauwelle zu fahren, erklärt Schreckenberg: „Da passieren die meisten Unfälle.“ Stau entstehe in Wellen, etwa an einer Anschlussstelle, wenn Autofahrer zu langsam oder zu früh den Beschleunigungsstreifen verlassen. Der Stau wandere mit 15 Kilometern pro Stunde rückwärts. Häufig zu beschleunigen und zu bremsen setze ihn fort. Gleichförmiges Fahren wirke dem entgegen, so Schreckenberg. Es seien meist einzelne Personen, die eine Stauwelle auslösen. Daher gilt: Auch bei zähfließendem Verkehr konzentriert bleiben.

Erwartungen realistisch halten: mit Verspätungen rechnen

Die vom Navi errechnete Ankunftszeit hat sich schon anderthalb Stunden nach hinten verschoben. Bernhard Schlag warnt vor übersteigerten Erwartungen: „Warum kommt die Schweizer Bahn ganz selten zu spät? Weil sie genug Watte in ihre Fahrpläne packt.“ Wer nicht zu spät kommen will, fährt daher am besten früher los – und plant genügend Luft für Pausen und Staus ein. Kluge Fahr-Entscheidungen vermeiden unnötigen Stress. Aber ein bisschen Stau ist immer. Da hilft dann nur die Liedzeile, die die Fantastischen Vier rappten: „Du stehst nicht im, du bist der Stau.“

Gasse bilden – Leben retten!

Sobald Fahrzeuge auf Autobahnen und Außerortsstraßen mit mindestens zwei Fahrstreifen mit Schrittgeschwindigkeit fahren oder stehen, müssen alle Fahrzeuge sofort eine Rettungsgasse bilden. Schon bevor Sirenen von Polizei, Notarzt oder Feuerwehr zu hören sind. Die Rettungsgasse ist dabei immer zwischen dem äußerst linken und den übrigen daneben liegenden rechten Fahrstreifen zu bilden. 

 Fotos: fotolia, dpa