Cannabiskonsum ist inzwischen erlaubt – aber nicht am Steuer. Wer bekifft fährt, riskiert den Führerschein und eine medizinisch-psychologische Untersuchung (MPU). Allerdings wird die MPU nicht mehr so schnell angeordnet wie früher, weiß Dr. Renate Zunft.
Zunft ist Ärztin und seit Ende der 1990er-Jahre medizinische Gutachterin bei TÜV NORD Mobilität. Sie führt regelmäßig MPUs durch und weiß, worauf es ankommt. Im Interview erläutert sie, wann künftig eine MPU angeordnet wird, was für Fahranfängerinnen und Fahranfänger gilt und wie sich die MPU verändern könnte.
Cannabis zu konsumieren, ist für Volljährige nun legal. Verändert sich damit auch, wie schnell eine MPU angeordnet wird?
Das neue Cannabisgesetz ändert zunächst nichts am rechtlichen Umgang mit Cannabis im Straßenverkehr. Das regelt die Fahrerlaubnisverordnung (FeV). Sie bestimmt, wer unter welchen Voraussetzungen am Straßenverkehr teilnehmen darf. Während früher bereits die erstmalige Fahrt unter Cannabiseinfluss zu einer medizinisch-psychologischen Untersuchung führen konnte, ist dies nach der neuen Fahrerlaubnisverordnung (§ 13a FEV) erst dann der Fall, wenn die Person wiederholt unter Cannabiseinfluss Auto gefahren ist oder Anzeichen von Missbrauch oder Abhängigkeit aufweist.
Welche Anzeichen deuten auf einen Missbrauch hin?
Es gibt verschiedene Faktoren, die auf einen Cannabismissbrauch hinweisen können. Dazu gehören zum Beispiel Aussagen der Betroffenen selbst über ihr Konsumverhalten, Berichte der Polizei oder Hinweise von Dritten. Aber auch toxikologische Befunde und bereits vorliegende Gutachten können Hinweise liefern. All diese Aspekte berücksichtigt das Straßenverkehrsamt bei der Anordnung.
So manche MPU wurde angeordnet, als noch die alte Fahrerlaubnisverordnung galt. Was gilt nun für die Betroffenen?
Aktuell prüfen die Behörden den Einzelfall und entscheiden, ob weiterhin Anhaltspunkte für einen Missbrauch oder eine Abhängigkeit von Cannabis vorliegen, die die Anordnung rechtfertigen. Grundsätzlich können wir davon ausgehen, dass die MPU fast ausschließlich bei Personen angeordnet wird, die tatsächlich ein problematisches Konsumverhalten aufweisen. Menschen, die unproblematisch Cannabis konsumieren, treffen wir in der Untersuchung eher nicht.
Was gilt für Fahranfängerinnen und Fahranfänger?
Wie bei Alkohol gilt auch bei Cannabis: Für Personen in der Probezeit oder unter 21 Jahren ist Cannabis am Steuer verboten. Der Grenzwert von maximal 3,5 Nanogramm THC pro Milliliter Blutserum gilt nicht. Aber Vorsicht: Auch für Personen außerhalb der Probezeit oder über 21 Jahre ist der Grenzwert kein Freifahrtschein! Wer Ausfallerscheinungen zeigt oder einen Unfall baut, macht sich strafbar – auch unterhalb von 3,5 ng/ml THC.
Die MPU auf einen Blick
Die medizinisch-psychologische Untersuchung überprüft, ob Verkehrsteilnehmende zum Fahren geeignet sind. Die Betroffenen sind (wiederholt) auffällig geworden, weil sie Verkehrsregeln missachtet und dadurch andere gefährdet haben. So können etwa Alkohol- oder Cannabismissbrauch, Aggressionsdelikte oder zu viele Punkte im Fahreignungsregister zu einer MPU führen. Das Straßenverkehrsamt ordnet die Untersuchung an, amtlich anerkannte Begutachtungsstellen führen sie durch. Die MPU dauert drei bis vier Stunden und besteht aus drei Teilen:
- Eine medizinische Untersuchung prüft, ob körperliche Mängel gegen die Teilnahme am Straßenverkehr sprechen und ob die medizinischen und laborchemischen Belege eine positive Beurteilung zulassen.
- Ein Leistungstest untersucht Fähigkeiten wie Reaktionsschnelligkeit, Wahrnehmung, Orientierung und Belastbarkeit.
- In einem psychologischen Gespräch prüfen die Gutachterinnen und Gutachter, ob sich die begutachtete Person selbstkritisch mit den Auffälligkeiten der Vergangenheit auseinandergesetzt und sich in ihrem Verhalten geändert hat.
Die MPU findet grundsätzlich anlassbezogen statt. Wer beispielsweise wegen wiederholten zu schnellen Fahrens begutachtet wird, muss keine Fragen zu Alkohol und Drogen beantworten.
Ist die MPU bestanden, stellt die Begutachtungsstelle ein positives Gutachten aus. Die Führerscheinstelle entscheidet dann über die Fahreignung. In der Regel führt ein positives Gutachten dazu, dass die oder der Begutachtete den Führerschein zurückerhält, neu oder erstmals machen darf.
Wie wirkt sich die Legalisierung auf den Inhalt der MPU aus?
Zunächst gar nicht. Allerdings ist mit ihr eine Angleichung in der Einstufung von Cannabis an Alkohol erfolgt. Das muss aus meiner Sicht auch Konsequenzen für die MPU haben. Bisher war bei jeder Drogenproblematik – von wenigen Ausnahmen abgesehen – immer Abstinenz die Voraussetzung für ein positives Gutachten. Bei Alkohol hingegen können die MPU-Teilnehmenden zum Teil ein kontrolliertes Trinkmuster geltend machen. Beim kontrollierten Trinken konsumiert die Person nur selten und moderat Alkohol. Betroffene sollen so lernen, verantwortungsvoll mit Alkohol umzugehen und ihr Verhältnis zum Alkohol zu normalisieren. Wenn sie dies über einen längeren Zeitraum umsetzen, können wir trotz Alkoholkonsum eine positive Beurteilung abgeben. Ein solches Vorgehen sollte meines Erachtens auch bei Cannabisfällen mit geringer Problematik möglich sein. Bei Konsumentinnen und Konsumenten mit problematischem Verhalten muss natürlich weiterhin die Abstinenz gelten.
Erwarten Sie in Zukunft mehr MPUs wegen Cannabiskonsum am Steuer?
Ob die Zahl der Cannabis-MPUs zu- oder abnehmen wird, lässt sich aktuell nicht sagen. Es gibt noch keine Statistiken, die Aufschluss darüber geben, wegen welcher Drogen wie viele MPU-Anordnungen erfolgen. Ich hoffe, dass in den nächsten Jahren differenziertere Statistiken mehr Aufschluss darüber geben werden.
Welche Rolle spielen Präventionsprogramme bei der Aufklärung über Cannabiskonsum im Straßenverkehr?
Präventionsprogramme, wie sie der Deutsche Verkehrssicherheitsrat (DVR) e. V. anbietet, sind unverzichtbar, um über die Gefahren von Cannabis im Straßenverkehr zu informieren. Dabei ist es gerade bei jungen Menschen wichtig, nicht belehrend aufzutreten. Die Programme müssen deutlich machen, dass Cannabis eine psychoaktive wirksame Substanz ist, die die Fahrtüchtigkeit beeinträchtigt – zum Beispiel durch eine verlangsamte Reaktionszeit, eine eingeschränkte Wahrnehmung oder Konzentrationsschwierigkeiten. Auch die langfristigen Folgen eines regelmäßigen Konsums, wie ein erhöhtes Abhängigkeitsrisiko, sollten thematisiert werden.
Wie trägt die MPU zur Verkehrssicherheit bei?
Die MPU hat eine doppelte Funktion. Zum einen hält sie ungeeignete Fahrerinnen und Fahrer vom Straßenverkehr fern. Zum anderen hat sie einen rehabilitativen Aspekt und bietet den Betroffenen die Chance, ihr Verhalten zu reflektieren und zu ändern. Damit trägt sie nicht nur zur Verkehrssicherheit bei, sondern kann auch das persönliche Leben beeinflussen.
Bilder: TÜV NORD