Reifeprüfung Baustelle

Mit Gelassenheit und Umsicht nicht nur Unfälle vermeiden, sondern sogar Zeit gewinnen.

23. September 2021
4 Minuten

Eigentlich könnte das dreieckige Schild mit dem Männchen und der Schaufel ein Grund zur Freude sein: Hier tut sich was! Ein Schaden wird behoben, es wird für mehr Sicherheit und komfortable Fortbewegung gesorgt. Doch viele dürften in Baustellen bloß lästige Zeitfresser sehen. Mit dem richtigen Verhalten kommen jedoch alle schneller und vor allem sicher an.

Hektik ist ein schlechter Beifahrer

Ja, es stimmt. Baustellen können an den Nerven zehren. Vor allem langfristige Baustellen, etwa auf den Autobahnen, führen nicht nur zu Stau und stockendem Verkehr, sondern verständlicherweise auch mal zu Frust. Pendlerinnen und Pendler oder Berufsfahrende müssen mitunter mehrmals wöchentlich oder gar täglich da durch. Im wahrsten Sinne des Wortes. Eine Baustelle ist aber immer auch eine Gefahrenstelle. Und hier ist Hektik fehl am Platz.

Gefährden kostet

Fahren mit hoher, nicht angepasster Geschwindigkeit trotz angekündigter Gefahrenstelle wird mit einem Punkt in Flensburg und 100 Euro Bußgeld geahndet.

Es mag zunächst wie ein Widerspruch klingen, doch eine eilige Fahrweise spart keine Zeit. Häufige Spurwechsel, Lücken schließen, das Tempo vorzeitig erhöhen, nur um dann wieder abrupt abzubremsen und damit womöglich eine Bremswelle auszulösen: Dieses Verhalten verhindert einen fließenden Verkehr, gefährdet andere Verkehrsteilnehmende und führt letztendlich dazu, dass es noch länger dauert. Die wichtigste Baustelle ist also im Kopf. Warum nicht mal das Männchen mit der Schippe als Einladung auch zur inneren Entschleunigung begreifen? Durchatmen, Fahrverhalten anpassen, entspannt ankommen.

Der Baustellen-Kodex

Denn ums Ankommen geht es doch. Wut und Zeitdruck verleiten im schlimmsten Fall zum Leichtsinn oder aggressiver Fahrweise. Dabei gilt vor allem im Baustellenbereich oberste Vorsicht. Zum Schutze aller, auch derjenigen, die die Fahrbahn instand setzen. Bauarbeitende bewegen sich oft nur eine Armeslänge vom fließenden Verkehr entfernt. Sie könnten auch mal versehentlich unvermittelt auf die Fahrbahn treten oder müssen diese queren. Leitkegel und Warnbaken sind ein potenzielles Unfallrisiko. Auch Arbeitsgeräte ragen schon mal auf die Fahrbahn oder Markierungen für die Verkehrsführung fehlen.

Im Baustellenbereich behalten selbstverständlich alle Verkehrsregeln ihre Gültigkeit. Zusätzlich gibt es eine Reihe spezifischer Verkehrszeichen, die unbedingt zu beachten sind, und auch die eine oder andere Benimmregel.

  1.  1.
    Es sollte eine Selbstverständlichkeit sein, ist es leider nicht: Höchstgeschwindigkeit bedeutet nicht Zielgeschwindigkeit. Gefahren- und Vorschriftszeichen weisen aus gutem Grund rechtzeitig auf eine Baustelle hin und sind unbedingt zu beachten. Die Geschwindigkeit sollte entsprechend stufenweise angepasst werden. Nicht erst kurz vor der Verengung abrupt bremsen und von einem Drängler nicht verunsichern lassen. Übrigens: Die Situation in einer Baustelle kann durchaus erfordern, deutlich langsamer zu fahren als vorgeschrieben.
  2.  2.
    Schilder haben das Sagen. Nicht das Navi. Das gilt insbesondere bei Tagesbaustellen oder neu errichteten Baustellen und veränderten Streckenführungen. Außer vielleicht bei Vollsperrungen kann es übrigens durchaus sinnvoll sein, im Stau oder zähfließenden Verkehr zu bleiben. Denn wo viele Fahrzeuge gleichzeitig abfahren und Umgehungen suchen, sind genau diese schnell verstopft. Und dann geht oft gar nichts mehr.
  3.  3.
    Reißverschlussprinzip beachten: Bis kurz vor die Verengung oder an ein Hindernis heranfahren, abwechselnd einfädeln. Wer auf der freien Spur unterwegs ist, macht Platz. Kooperieren statt konkurrieren.
  4.  4.
    Bei Stau frühzeitig eine Rettungsgasse bilden, am besten bevor der Verkehr steht. Wenn das Blaulicht bereits im Rückspiegel zu sehen ist, ist es zu spät. Wo es eng ist, besonders viel Abstand halten, damit Rettungsfahrzeuge sich notfalls durchschlängeln können und jeweils so weit nach links und rechts fahren, wie es die Engstelle zulässt. Tipp: Versetzt fahren. Der Sicherheitsabstand wird so automatisch eingehalten und die Rettungsgasse kann leichter gebildet werden. Weiterer Vorteil: Der Verkehr fließt wie in einem Zug und auch die Gefahr für seitliche Zusammenstöße wird verringert. Die Rettungsgasse erst auflösen, wenn der Verkehr wieder fließt. Auf einen Einsatzwagen können weitere folgen.
  5.  5.
    Die eigene Fahrzeugbreite bedenken: Die linke Spur ist oft schmaler als die rechte oder gar für Fahrzeuge über zwei Meter Breite gesperrt. Dies ist unbedingt einzuhalten. Und bitte die Seitenspiegel miteinrechnen.

Mit Rücksicht fahren alle gut

Verschwenkungen, Überleitungen, verkürzte Auf- und Abfahrten und sogar das Ende einer Baustelle sind besondere Risikostellen. Auch wenn es schwerfällt, nachdem die Baustelle endlich geschafft ist: Am besten umsichtig beschleunigen, defensiv fahren und bremsbereit bleiben, bis der Verkehr sich sortiert hat. Manche brauchen einen Moment länger, um sich zu orientieren oder haben vielleicht weniger PS unter der Haube. Andere sind vielleicht nervös, ortsfremd, noch nicht oder nicht mehr geübt oder brauchen schlicht mehr Platz, wie etwa Lastkraftwagen. Mit Geduld und Rücksicht fahren alle gut.

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„Jetzt bin ich aber mal dran!“ Leider nein. Erst wenn frei ist.
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Eine Baustelle ist immer auch eine Gefahrenstelle. Beim Anblick eines dieser oder auch beider Zeichen heißt es: Geschwindigkeit verringern, bremsbereit und aufmerksam bleiben.
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Heißt: So schnell maximal fahren, ab hier. Auch wenn die Baustelle erst da vorne beginnt.
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Jetzt wird es ernst: Abgesperrte Flächen niemals befahren. Auch nicht kurz. Auch nicht nur ein bisschen. Absperrtafeln dienen dazu, den Verkehr an den betreffenden Straßenflächen vorbeizuleiten.
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Es gibt kein generelles Überholverbot im Baustellenbereich. Wird das Überholen explizit verboten, dann aus gutem Grund. Das heißt jedoch nicht, dass zwingend überholt werden muss, nur weil kein Verbot besteht.
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Fahrzeuge, die breiter als zwei Meter sind, dürfen hier nicht fahren. Auch nicht zum Überholen. Achtung: Unbedingt die Seitenspiegel mitberechnen!
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Überleitungen, Verschwenkungen und Zusammenführungen zählen zu den klassischen Risikobereichen einer Baustelle. Hier gilt es ganz besonders aufs Tempo zu achten.
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Das Zeichen, auf das alle warten. Aber auch hier heißt es noch: Vorsicht! Nicht gleich Vollgas geben, sondern aufmerksam bleiben und defensiv fahren, bis sich die Lage entzerrt hat.
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Das war doch gestern noch nicht so!? Genau, also doppelt aufpassen.
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„Du darfst hier nicht rein.“ Wirklich nicht. Auch Fußgänger halten sich bitte an Umleitungen.
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Nein. Gar nicht. Auch nicht kurz.
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„Jetzt bin ich aber mal dran!“ Leider nein. Erst wenn frei ist.
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Eine Baustelle ist immer auch eine Gefahrenstelle. Beim Anblick eines dieser oder auch beider Zeichen heißt es: Geschwindigkeit verringern, bremsbereit und aufmerksam bleiben.

Im Schilderwald verfranst

Auch innerorts ist das Gefahrenpotenzial von Baustellen nicht zu unterschätzen. Übrigens auch für Passanten, Stichwort: Baugrube oder Gullideckel. Wer viel fährt, glaubt vielleicht, die gewohnten Strecken im Schlaf zu kennen. Dann plötzlich eine andere Streckenführung. Der berühmte „Schilderwald“ aus temporären und fest installierten Vorschriftszeichen sowie zusätzlichen Gefahren- und Hinweiszeichen überfordert zunächst. Was gilt denn nun? Wo entlang geht’s jetzt zum Büro? Im Feierabendverkehr irritieren Bremslichter und Warnleuchten zusätzlich, gerade bei Nässe. Auch Fußgänger und Radfahrende werden möglicherweise umgeleitet und müssen sich orientieren. Mit einem Mal sind Ampeln dort, wo vorher keine waren und andere außer Betrieb. Hinzu kommen die ohnehin typischen Innenstadtfaktoren wie etwa Lieferverkehr, Linienbusse, Schulkinder.

Hier arbeiten Menschen

Obacht also ab dem ersten Hinweis auf eine Baustelle und natürlich Tempo anpassen. Und wie immer: Möglichst auch an andere denken. Ist beispielsweise ein Radweg von einer Baustelle betroffen und weichen Radfahrende auf die Straße aus, muss der Kraftverkehr auf sie Rücksicht nehmen. Das bedeutet, auch wenn’s länger dauert, Abstand halten – ganz besonders beim Überholen. Auch zu Fuß Gehende sollten sich an die ausgeschilderten Überwege halten und längere Wege in Kauf nehmen. In verengten Bereichen zusätzlich noch auf Passanten zu achten, die eigentlich nicht dort entlanglaufen sollten, erschwert es Fahrzeugführenden zusätzlich, den Überblick zu behalten. 

Auch wenn es sich manchmal so anfühlt: Sicherheitsmaßnahmen sollen niemanden ärgern. Hier arbeiten Menschen! Und die wollen wir doch schützen, so wie uns selbst und alle anderen auf dem Weg. 

Bilder: Imago, shutterstock