22. März 2023

Allrounder für jede Lage? Ganzjahresreifen im Check

Um sich den Reifenwechsel zu sparen, setzen viele auf Allwetterreifen. Doch für wen lohnt sich der Kauf wirklich?

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Im Spätherbst und im Frühling steht für viele Verkehrsteilnehmende der Reifenwechsel an. Doch immer mehr Autofahrende sind mit Ganzjahresreifen unterwegs. Welche Vor- und Nachteile bieten die Allrounder? Christian Koch kennt die Antworten. Er ist Reifen-Experte bei Dekra. Im Interview teilt der Sachverständige seine Erfahrungen.

Herr Koch, der Trend geht stark zu Ganzjahresreifen. Allein im Jahr 2021 wurden knapp 10,8 Millionen Stück verkauft. Das zeigt der Jahresbericht des Bundesverbands Reifenhandel und Vulkaniseur-Handwerk. Die Nachfrage steigt also. Für wen lohnen sich die Ganzjahresreifen?

Ganzjahresreifen sind definitiv ein Allrounder. Ein großer Vorteil ist die Bequemlichkeit, weil man sich zweimal jährlich den Reifenwechsel spart. Aber sie stellen auch immer einen Kompromiss dar, bei dem man entsprechend Abstriche machen muss. Unter anderem ist der Verschleiß höher und sie sind etwas teurer als die Saisonspezialisten Sommer- oder Winterreifen.

Die Allwetterreifen sind also nicht unbedingt für Vielfahrer geeignet?

Nur wenn der Wagen eine geringe Laufleistung hat und zum Beispiel eher im städtischen Gebiet unterwegs ist, sollte man auf dieses Modell setzen. Dann lohnt sich der Aufwand des Reifenwechsels weniger.

Das ist aus technischer Sicht aber nicht ganz unproblematisch, oder?

Stimmt. Denn durch den Verzicht auf den Reifentausch entfallen die Besuche in einer Fachwerkstatt. Dadurch wird der Wagen seltener von einer Fachkraft kontrolliert. Wir empfehlen Verkehrsteilnehmenden daher weiterhin, eine regelmäßige Wartung und Pflege des Fahrzeugs und der Reifen durchzuführen – ganz zur eigenen Sicherheit. Wenn ich zum Beispiel öfter gegen einen Bordstein fahre, verstellt sich das Fahrwerk. Das zeigt sich auch am Reifen, weil er sich schief abfährt.

Allwetterreifen haben eine weichere Gummimischung als Winterreifen. Sind die Reifen dennoch solide Allrounder für alle möglichen Straßenverhältnisse und Wetterlagen?

Technisch lassen sich Ganzjahresreifen am besten als Winterreifen mit (eingeschränkten) Sommer-Eigenschaften beschreiben. Sie sind mittlerweile so gut, dass sie tatsächlich auch das ganze Jahr gefahren werden können. Wenn ich mit Ganzjahresreifen im Winter auf normalen winterlichen Straßen unterwegs bin, ist das kein Problem. Fahre ich aber tatsächlich in den Tiefschnee mit extrem winterlichen Fahrbahnverhältnissen, dann bin ich mit einem Winterreifen definitiv besser und sicherer ausgestattet. Da sind Ganzjahresreifen teilweise benachteiligt.

Müssen Verkehrsteilnehmende mit Ganzjahresreifen dementsprechend ihre Fahrweise anpassen?

Nein, einen Unterschied zwischen den Reifenmodellen merkt man im städtischen Gebiet kaum. Bei einer Zulassung werden Allwetterreifen ausreichend – zum Beispiel auf ihren Bremsweg hin – getestet. Da, wo man Grip braucht, also beim Bremsen auf nasser Fahrbahn, funktionieren sie wie Winterreifen. Nur bei extremeren Verhältnissen und einer sportlichen Fahrweise kommen sie, wie beschrieben, an die Grenzen ihrer Leistungsfähigkeit.

Welche Voraussetzungen müssen Allwetterreifen erfüllen, um für den Straßenverkehr zugelassen zu werden? Worauf sollte man beim Kauf achten?

Die Ganzjahresreifen sollten das Symbol eines dreizackigen Bergs mit einer Schneeflocke tragen. Es zeigt einen verlässlichen und vor allem wintertauglichen Ganzjahresreifen an.

Situative Winterreifenpflicht in Deutschland

In Deutschland gilt die situative Winterreifenpflicht. Das bedeutet, Autofahrende müssen sich danach richten, wie die Situation auf den Straßen ist. Sind die Straßen mit Eis oder Schnee bedeckt, ist man dazu verpflichtet, wintertaugliche Reifen aufzuziehen. 

Wie wirken sich die Reifen auf den Spritverbrauch aus?

Generell kommt es hier auf eine vernünftige Pflege der Reifen an – ganz unabhängig vom Modell. Zum Beispiel sollte man nur mit korrektem Fülldruck fahren, daher sollte dieser regelmäßig geprüft werden.

Reifendruck kontrollieren

Nur wer mit einem optimalen Fülldruck unterwegs ist, fährt sicher. Dann haftet der Reifen bestmöglich auf der Straße. Andernfalls riskiert man schwammiges und unberechenbares Fahrverhalten und schadet den Reifen. Hinzu kommt, dass der richtige Luftdruck beim Spritsparen hilft. Ist im Reifen zu wenig Luft, wird mehr Kraftstoff verbraucht.

Der optimale Reifendruck wird vom Hersteller vorgegeben. Die Werte befinden sich beispielsweise an folgenden Stellen:

  • auf einem Aufkleber an der Innenseite der B-Säule
  • auf einem Aufkleber an der Innenseite des Tankdeckels
  • auf einem Aufkleber im Handschuhfach
  • in der Bedienungsanleitung des Fahrzeugs
  • in einer Reifendrucktabelle

Wie oft sollten die Allrounder erneuert werden?

Bei einer normalen Fahrleistung ist ein Ganzjahresreifen in vier bis fünf Jahren abgefahren. Wenn ich allerdings sehr wenig fahre, beispielsweise nur zum Einkaufen, dann verlängert sich die Lebensdauer dementsprechend. Wir empfehlen, Reifen ab einem Alter von 7 Jahren auf jeden Fall im Fachbetrieb überprüfen zu lassen und bei einem Alter von mehr als 10 Jahren zu erneuern, und zwar unabhängig von der Profiltiefe.

Quellen: Shutterstock, Dekra