Zu schnell in den Tod

Wer rast, kommt nicht schneller, sondern manchmal gar nicht ans Ziel.

02. Juni 2016
3 Minuten

Kaum eine Gefahr wird so unterschätzt, kaum ein Fehler wiegt so schwer: Geschwindigkeitsüberschreitungen sind nach wie vor der häufigste Grund für tödliche Unfälle auf deutschen Straßen. 34 Prozent aller Verkehrstoten im Jahr 2015 gingen auf diese Ursache zurück – auf den Autobahnen waren es sogar fast 50 Prozent.

„Ein Schwerverletzter durch zu hohes Tempo“, „Zu schnell in die Kurve gefahren – Fahrzeug überschlägt sich“, „Lkw-Fahrer rast in Stauende“ – solche und ähnliche Schlagzeilen prägen die Nachrichten. Sie machen deutlich, wie eine zu schnelle Fahrt enden kann: tödlich oder mit lebenslangen gesundheitlichen Beeinträchtigungen. 

Viele Gründe für ein Fehlverhalten

Pünktlich zur Arbeit kommen, kurz vor Ladenschluss noch einen dringenden Einkauf erledigen oder den Anfang des neuesten Hollywood-Streifens nicht verpassen: Es gibt viele vermeintlich gute Gründe, ein wenig stärker aufs Gas zu drücken. Doch steigt damit vor allem die Gefahr, gar nicht ans Ziel zu kommen.

2015 starben 3.459 Menschen auf Deutschlands Straßen. Somit verlieren im Durchschnitt immer noch jeden Tag zehn Menschen ihr Leben im Straßenverkehr. Rund 393.000 (2015: 393.432) Verkehrsteilnehmer wurden im vergangenen Jahr verletzt.

Wer sich wiederholt bei Geschwindigkeitsüberschreitungen ertappt, sollte sich daher bewusst machen, dass er nicht nur sich selbst, sondern auch andere gefährdet – und leichtfertig großes Leid in Kauf nimmt. Ob bei Eltern, Kindern, Geschwistern oder Freunden: Jeder schwere Verkehrsunfall verursacht unermessliches Leid. Betroffen sind auch jene Menschen, die täglich mit den schrecklichen Folgen von Unfällen konfrontiert werden: Rettungskräfte, Polizisten und Seelsorger.

Was versteht man unter „nicht angepasste“ Geschwindigkeit?

Der Begriff „nicht angepasste Geschwindigkeit“ kann vieles bedeuten. Er kann sich auf Fahrer beziehen, die mal kurz beschleunigen, um anzugeben. Es gibt jedoch auch Raser, für die überhöhtes Tempo so selbstverständlich ist wie das Treten der Kupplung. Sie fahren generell mit viel zu hoher Geschwindigkeit, halten zu wenig Abstand und bahnen sich womöglich auch mit der Lichthupe ihren Weg. Ein solcher Fahrstil macht den fahrbaren Untersatz quasi zur Waffe, und selbst Tempolimits, Strafen und Führerscheinentzug können manchen notorischen Raser nicht lange aufhalten.

Häufig fahren jedoch auch verantwortungsbewusste Verkehrsteilnehmer „nicht angepasst“. Schnell ist man durch ein Lieblingslied im Radio oder ein Gespräch mit dem Beifahrer abgelenkt. Und genauso schnell passiert man mit wenigen Kilometern pro Stunde zu viel eine Ortseinfahrt, fährt zu dicht auf oder übersieht ein Baustellenschild. All das sind kleine Fehler, die aber großen Schaden anrichten können. Vielen Rasern ist nicht bewusst: Der Bremsweg verdoppelt sich bei doppelter Geschwindigkeit nicht nur, sondern steigt überproportional an. Ein Fahrzeug mit Tempo 30 kommt nach 12,6 Metern zum Stehen, bei 50 km/h braucht es bereits 26 Meter dazu. Dieser „Unterschied“ bzw. die Kollisionsgeschwindigkeit entscheidet in der Realität unter Umständen über Tod oder Leben eines Kindes, das vor das Auto läuft. Wer nun glaubt, es reiche, sich immer an das vorgegebene Tempolimit zu halten, irrt auch. Denn eine Reihe weiterer Faktoren bestimmt, was „angepasste Geschwindigkeit“ ist. Nebel, Regen, Glätte, Schnee – bei solchen Witterungsbedingungen sind zum Beispiel die grundsätzlich auf Landstraßen erlaubten „Tempo 100“ meist viel zu schnell. Im Zweifel heißt das: Runter vom Gas! Besondere Vorsicht ist auf Landstraßen ohnehin geboten. Denn die Straßenverläufe sind oft unübersichtlich. Bäume, Kurven und Kuppen führen dazu, dass der Gegenverkehr und Hindernisse häufig erst spät zu erkennen sind. Auch bei schlechten Straßen und verschmutzten Fahrbahnen oder schlechter Sicht, etwa durch Sonnenblendung, lautet die richtige Devise, die Geschwindigkeit an die schwierigen Bedingungen anzupassen.

Doppelter Schutz durch angepasstes Tempo

Autofahrer, die mit angepasstem Tempo fahren, tragen gleich mehrfach zur Sicherheit im Straßenverkehr bei. So können sie eigene Fehler besser korrigieren sowie die anderer besser kompensieren und auf unvorhergesehene Situationen, wie etwa plötzlich auftauchendes Wild, entsprechend reagieren. Zudem sind die Folgen eines Unfalls bei niedriger Geschwindigkeit im Regelfall viel weniger schlimm. Für Verkehrsteilnehmer, die sich und andere nicht gefährden wollen, bleibt daher nur ein Tempo: das angepasste – an die Verkehrsregeln, die Verkehrslage, das Umfeld, die Witterung, das Fahrzeug und an das eigene Fahrkönnen sowie das Wohlbefinden.

Ein Fahrzeug mit Tempo 30 kommt nach 12,6 Meter zum Stehen, bei 50 km/h braucht es bereits 26 Meter dazu.

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