7 Beifahrer-Typen – und was sie beachten müssen

Entertainerin, Mentor, Krisenmanagerin? „Runter vom Gas“ stellt sieben Beifahrer-Typen vor. Finden Sie sich wieder?

10. Januar 2020
7 Minuten

Viele Soziologen beschreiben den Pkw als ein dynamisches Soziosystem auf Rädern. Heißt: Im Auto wird gestritten, geliebt, gelacht. Ein unterschätzter Protagonist in dieser mobilen Soap-Opera ist der Beifahrer. Welche Rolle spielen Sie auf dem Beifahrersitz? „Runter vom Gas“ hat sieben Typen zusammengestellt. Jeder hat positive und negative Eigenschaften. Vielleicht erkennen Sie sich sogar in mehreren wieder.

Der Butler

Lange waren sich Verkehrspsychologen sicher: Ein perfekter Beifahrer ist ein aktiver Beifahrer. Der Butler ist so einer. Er liest dem Fahrer jeden Wunsch von den Lippen ab, bedient Navigationsgerät und Radiosender, reicht gar Proviant. Alles zum Wohle des Fahrers. An der Universität Ulm würde man den Butler für seinen selbstlosen Einsatz loben. Dort fand man Erstaunliches heraus: In Fahrzeugen ist die Gehirnleistung des Steuermannes geringer, als die des Beifahrers. Um ein Auto sicher zu steuern, muss sich der Fahrer also vollkommen auf den Verkehr konzentrieren und ist gut bedient, wenn ein hilfsbereiter Beifahrer an seiner Seite ist.

Doch Vorsicht: Der Butler sollte den Fahrer nicht überfordern. Oder gar ablenken. Sich um Navi und Co kümmern – das ist in Ordnung und entlastet den Fahrer. Essen sollte man allerdings keinesfalls während der Fahrt reichen. Ein Sandwich, ein Brötchen oder ein Croissant am Steuer sind unterschätzte Ablenkungsfaktoren, die zu schweren Unfällen führen können. Der Butler sollte sein Handeln stets in den Dienst eines Gedankens stellen: Was kann ich tun oder unterlassen, damit der Fahrer den Pkw sicher steuert? 
  

Der Angsthase

Er wittert Gefahren an jeder Straßenecke. Wie seine animalischen Namensvetter ist der menschliche Angsthase ein Fluchttier. Das Auto ist für ihn kein faradayscher Käfig, also kein geschützter Raum, der vor äußeren Bedrohungen wie Blitzen schützt. Als hätte er empfindliche Tasthaare, analysiert der Angsthase mögliche Risikofaktoren im Straßenverkehr messerscharf. 
Laut der Verkehrspsychologie sind Beifahrer interessanterweise häufig dann ängstlich, wenn sie selbst einen Führerschein besitzen und einen komplett anderen Fahrstil pflegen als der Steuermann. Die Folge: das Gefühl von Kontrollverlust. Wer sich als Beifahrer fremdbestimmt fühlt, sobald der Motor läuft, der ist auf dem Beifahrersitz schlecht aufgehoben. Denn die Gefahr ist groß, dass sich seine Unsicherheit auf den Fahrer überträgt. Und noch mehr: dass er dem Fahrer unterwegs vorschreibt, was er tun sollte. Gefährliche Wortgefechte können die Folge sein, was zulasten der Konzentration des Fahrers geht. Wenn sich der Fahrer allerdings nicht an Tempolimits oder an den Mindestabstand zum vorausfahrenden Fahrzeug hält, sollte der Beifahrer das selbstverständlich zur Rede bringen.
Tipp: Auf der Rückbank ist das Lenkrad aus den Augen, das Bedürfnis ins Fahrgeschehen einzugreifen aus dem Sinn. Außerdem helfen Absprachen zwischen Fahrer und Beifahrer. Noch vor der Fahrt festlegen, bis zu welcher Geschwindigkeit sich der Mitfahrende wohlfühlt. Und: Spannungen besser an einem Knautschball und nicht am Fahrer abbauen.

Fahrassistenzsysteme: Die elektronischen Beifahrer

Schweigsamer als ihre Mitstreiter aus Fleisch und Blut sind Fahrassistenzsysteme – sie sind wahre Multitalente. Elektronisches Stabilitäts-Programm (ESP), Abstandsregler und Co. analysieren, greifen ein und retten damit Leben. Beispielsweise führen Notbremsassistenten nach einer Studie der Unfallforschung der Versicherer zu 28 Prozent weniger Auffahrunfällen mit Personenschaden. Bald gehören Fahrerassistenzsysteme zur Grundausstattung in jedem Auto. Die Europäische Union schreibt ab Mai 2022 für neue Fahrzeuge diverse Sicherheitseinrichtungen vor.

Der Mentor

Dieser Titel ist hart erarbeitet. Erst, wer jahrelang Erfahrung im Straßenverkehr gesammelt hat, darf sich Mentor nennen. Gefühlt trägt er den schwarzen Anschnallgurt in Verkehrssicherheit – und das kann auch jeder wissen. Er betet die Definition jedes noch so unbekannten Verkehrsschildes herunter und philosophiert darüber, wie sich das Fahrgefühl von Serienklasse zu Serienklasse unterscheidet.
In den Genuss seiner grenzenlosen Weisheit kommen besonders begleitete Fahrer ab 17. Mit noch druckfrischem Führerschein in der Tasche, können BF17-Teilnehmer voll auf den Mentor vertrauen – so zumindest in der Theorie. Doch insbesondere begleitende Eltern neigen auf dem Beifahrersitz auch schon einmal zur Übervorsorge. Verständlich. Das eigene Kind hinterm Steuer? Ein Anblick, den sie erst einmal verarbeiten müssen. 
Deshalb machen sich Mentoren am besten klar, dass sie eine passive Rolle einnehmen sollten. Heißt: Ins Lenkrad greifen oder die Handbremse ziehen, ist nur in absoluten Notfällen sinnvoll. Es ist hilfreich, sich ins Gedächtnis zu rufen, dass der Nachwuchs die Führerscheinprüfung erfolgreich absolviert hat. Von offizieller Seite wurde also bestätigt, dass der Schützling Theorie und Praxis beherrscht. Außerdem gilt: Ein sicherer Fahrer ist ein selbstbewusster Fahrer. Wer bei seinen ersten Fahrten unverhältnismäßig kritisiert, getadelt und bevormundet wird, kann schlecht ein souveräner Verkehrsteilnehmer werden. Es ist noch kein Meister vom Himmel gefallen – und auch kein unfehlbarer Mentor.

BF17-Teilnehmer verursachen später 20 Prozent weniger Unfälle als andere Fahranfänger.

Der Entertainer

Er ist der partywütige Bruder des Butlers – der Entertainer. Für ihn steht das persönliche Vergnügen im Fokus. Selbst wenn die Fahrgemeinschaft noch so trist ist: Er feuert den hippsten Feier-Remix ab und beginnt die unterhaltsamsten Ratespiele. Mit ihm an Board wird die Autofahrt zur Mottoparty. Doch Klaus Säverin, Fachanwalt für Verkehrsrecht aus Berlin, warnt: „Der Beifahrer darf zwar volltrunken im Tiefschlaf versinken. Was er allerdings nicht darf: den Fahrer ablenken.“ 
Spätestens wenn er den Fahrer zum Alkoholkonsum verleitet, hört der Spaß ganz auf: „Wenn der Beifahrer den Rauschmittelkonsum aufdrängt, gilt er im Fall eines Unfalls als Mitverursacher, sodass sein Schadensersatzanspruch gekürzt wird oder ganz wegfällt.“ Hinzukommt: Selbst wenn der Fahrer nur eine geringe Menge Alkohol im Blut hat, ist seine Koordinations- und Konzentrationsfähigkeit beeinträchtigt. Sprich: geringeres Sichtfeld, beschränkte Feinmotorik, erhöhte Risikobereitschaft. 2018 sind nach Angaben des Statistischen Bundesamts 206 Verkehrsteilnehmer tödlich verunglückt, weil Alkohol im Spiel war.  
Ist der Beifahrer eigentlich verpflichtet, den Fahrer mit Blick auf seine Fahrtüchtigkeit unter die Lupe zu nehmen? Die Antwort darauf gab die oberste Instanz – der Bundesgerichtshof. Dort wurde 1998 die sogenannte Sorgfaltspflicht verabschiedet. Das bedeutet: Wenn für den Beifahrer klar ersichtlich ist, dass die Person hinterm Steuer berauscht ist, muss er die Fahrt unterbinden – auch wenn ihm das erst unterwegs klar wird. Wenn der Beifahrer dies missachtet und es kommt zum Unfall, reduziert sich für den unaufmerksamen Beifahrer auch die Höhe des Schmerzensgeldes. Fest steht: Wer betrunken (mit)fährt, gefährdet sich und andere. 

„Der Beifahrer darf zwar volltrunken im Tiefschlaf versinken. Was er allerdings nicht darf: den Fahrer ablenken.“

Die Schlaftablette

Das komplette Gegenprogramm liefert die Schlaftablette. Den wachsten Moment erlebt sie während des Ein- und Aussteigens. Doch sobald der Wagen läuft, singt der Motor ein Schlaflied. Freie Fahrt für den Fahrer. Dieser kann sich vollkommen auf den Verkehr konzentrieren – was ein Vorteil eines schlafenden Beifahrers ist. Doch ein bekanntes Alltagsphänomen macht sich bemerkbar: Gähnen steckt an. Es droht Sekundenschlaf – und das besonders in den Wintermonaten. Schlafforscher fanden heraus, dass mit einem ruhenden Beifahrer das Risiko wächst, selbst hinterm Steuer die Augen zu schließen. Gerade bei langen monotonen Autobahnetappen oder Nachtfahrten ist das Risiko hoch.  
Als Beifahrer ist die Reise ins Traumland zwar verlockend, doch sollte die Schlaftablette auf langen Reisen stets einen Fahrerwechsel anbieten. Kommt das nicht infrage, etwa, weil der Beifahrer keinen Führerschein hat, sollte der Fahrer bei kleinsten Anzeichen der Müdigkeit auf den nächsten Parkplatz fahren und einen Kurzschlaf von zehn bis 20 Minuten einlegen.
Übrigens: Bei einer größeren Fahrgemeinschaft lässt sich die Schlaftablette auch auf die Rückbank verfrachten. Der einlullende Einfluss auf den Fahrer ist dann deutlich geringer.

54 Prozent der Beifahrer bieten bei auftretender Müdigkeit einen Fahrerwechsel an. Nur 23 Prozent bestehen darauf.

Der Wissenschaftler

Artverwandt mit dem Mentor treibt der Wissenschaftler die Zurschaustellung seiner Kenntnisse auf die Spitze. Sein großes Vorbild ist der Kommunikationswissenschaftler Friedemann Schulz von Thun. Das von ihm konzipierte „Vier-Ohren-Modell“ betet dieser Beifahrer-Typ herunter wie ein Mantra. Dieses besagt, dass jeder noch so kleine Kommentar, wie zum Beispiel „die Ampel ist grün“ beim Hörer auf vier Ebenen interpretiert wird. Zuallererst kommuniziert der Beifahrer sachlich: Er möchte schlicht mitteilen, wie es um die Ampelschaltung bestellt ist. Zusätzlich appelliert er: „Es ist grün – also kannst du losfahren“. Auch gibt der Beifahrer auf einer weiteren Ebene Einblick in seinen eigenen Gemütszustand. Schwingen in seiner Stimme Anzeichen von Stress, Aggression oder Euphorie mit? Schließlich, auf vierter Kommunikationsebene, kann der Satz „es ist grün“ persönlich gewertet werden. Wenn über den Autoinsassen bereits Gewitterwolken hängen, kann ein simples „die Ampel ist grün“ der Startschuss für einen handfesten Streit sein. 
Besonders Letzteres hat nichts im Straßenverkehr zu suchen. Das weiß der Wissenschaftler. Passiv-aggressive Sätze wie „Gas ist unten rechts“ oder „Mensch, das war aber knapp“ werden seine Lippen nie verlassen. Dadurch vermeidet er womöglich gefährliche Situationen, denn oftmals antwortet der Fahrer auf provokante Sätze mit einer besonders riskanten Fahrweise, um unter Beweis zu stellen, wer letztendlich das Steuer in der Hand hält. Psychologen bezeichnen dieses Phänomen als Reaktanz. 
Der Wissenschaftler versucht eine solche Eskalation tunlichst zu vermeiden. Trotzdem muss er sich immer wieder klarmachen: Mechanische Kommunikation und eine Verwissenschaftlichung alltäglicher Verkehrssituationen können beim Fahrer ebenfalls Reaktanzen auslösen. Falls die Luft im Fahrzeug so dick ist, dass man sie schneiden kann, lohnt sich eine klärende Aussprache auf dem nächsten Rastplatz. Damit es gar nicht erst dazu kommt, vertraut der Wissenschaftler am besten auf das Urteilsvermögen des Fahrers und hält sich mit unnötigen Exkursen in die Wissenschaft zurück.

Der Krisenmanager

Zu guter Letzt die Geheimwaffe unter den Beifahrer-Typen: der Krisenmanager. Ganz in Superhelden-Manier wirkt er auf den ersten Blick unscheinbar. Doch wenn Gefahr naht, ist er zur Stelle. Sven Rauhut ist einer dieser Alltagshelden. 2009 war er als Beifahrer mit einem Kollegen unterwegs, als dieser durch die Frontscheibe von einem Gegenstand getroffen wurde. Geistesgegenwärtig griff er ins Lenkrad, rettete dadurch sich selbst und seinem bewusstlosen Freund das Leben. 

In diesem Fall heiligt der Zweck die Mittel, wie der Verkehrsanwalt Klaus Säverin erläutert: „In Notsituationen sind im Rechtsleben immer Dinge erlaubt, die sonst nicht erlaubt sind. Der Beifahrer darf natürlich rettend eingreifen.“ Doch wie ist ein sogenannter Notfall juristisch definiert? Laut Paragraph § 35 Strafgesetzbuch (StGB) handelt es sich dabei um eine abwendbare Gefahr für Leben, Leib oder Freiheit. Bei Sven Rauhut lag die Brisanz der Lage klar auf der Hand.

Aber nicht jeder Beifahrer ist ein Superheld. Und das muss er auch nicht. Schon kleine Hilfsdienste und auch Hinweise auf Dinge, die man unterlassen sollte beziehungsweise muss, genügen, um als Beifahrer den Fahrer zu unterstützen. Wer sich – im Fall des Falles – als Krisenmanager entpuppt, kann sich zusätzlich auf die Schulter klopfen. 

Bilder: Shutterstock, Istock