Im Jahr 2023 sind im Straßenverkehr pro Tag durchschnittlich acht Menschen getötet und mehr als 1.000 verletzt worden. Alkohol- und Drogenkonsum sowie Ablenkung am Steuer führen immer wieder zu schweren Unfällen.
Um dieser Entwicklung entgegenzuwirken, warnen das Bundesministerium für Digitales und Verkehr (BMDV) und der Deutsche Verkehrssicherheitsrat (DVR) e. V. mit neuen Plakaten entlang der deutschen Autobahnen vor den lebensbedrohlichen Risiken von Alkoholkonsum, Cannabiskonsum und Ablenkung im Straßenverkehr.
Im Interview spricht DVR-Präsident Manfred Wirsch über die Gründe für die steigenden Unfallzahlen und wie eine Zukunft ohne Verkehrstote möglich werden könnte.
Im Jahr 2023 ist die Zahl der Verkehrsunfälle um 4,5 Prozent gestiegen. Wie beurteilen Sie die Situation und was sind die größten Unfallursachen?
Manfred Wirsch: Die Entwicklung ist besorgniserregend. Fahren mit unangepasster Geschwindigkeit, die missachtete Vorfahrt und ungenügender Sicherheitsabstand gehören zu den häufigsten Unfallursachen. Aber wir beobachten auch einen hohen Anteil an Verkehrsunfällen durch Ablenkung, Drogen und Alkohol am Steuer.
Die Zahl der Unfälle unter Alkoholeinfluss mit Verletzten und Toten im Straßenverkehr ist in den letzten Jahren angestiegen. 2023 wurde mit 15.652 Fällen der zweithöchste Wert der letzten zehn Jahre verzeichnet. Was lässt sich dagegen tun?
Manfred Wirsch: Menschen wissen, wie gefährlich es ist, unter Alkoholeinfluss Auto zu fahren. Trotzdem zeigen die Zahlen, dass weiterhin Aufklärung über die Risiken und Appelle an verantwortungsvolles Verhalten enorm wichtig sind.Gleichzeitig sind Konsequenzen wie polizeiliche Kontrollen und Bußgelder weiterhin notwendig. Allein 2023 sind 198 Menschen durch alkoholbedingt Unfälle im Straßenverkehr gestorben. Über 4.200 Menschen wurden schwer verletzt. Wir müssen alles daransetzen, diese erschreckend hohen Zahlen zu reduzieren. „Wer trinkt, fährt nicht – Don’t drink and drive“ – eine zentrale Botschaft für die Verkehrsunfallprävention.
Seit dem 1. April 2024 ist Cannabis teilweise legalisiert. Vor welchen Herausforderungen steht die Verkehrssicherheit?
Manfred Wirsch: Wer Cannabis konsumiert, beeinträchtigt sein Fahrvermögen erheblich. Es verlangsamt die Reaktionszeit, verschlechtert die Koordination und beeinflusst die Wahrnehmung – und das sind nur einige der möglichen Folgen des Konsums. Täglich werden rund acht Unfälle mit Personenschaden durch Menschen verursacht, die sich unter Drogeneinfluss ans Steuer setzen. Das Fahren unter Drogeneinfluss, zum Beispiel Cannabis, ist lebensgefährlich. Darauf weist nun auch eines der Motive der Autobahnplakate hin.
Wir müssen insbesondere Jugendliche und junge Menschen darüber aufklären. Mit gezielten Präventionskampagnen sensibilisieren wir Menschen für die Risiken. Die Botschaft lautet ganz klar: Drogenkonsum und Straßenverkehr vertragen sich nicht. Wer einen Joint raucht oder anderweitig Cannabis zu sich nimmt, sollte mindestens 24 Stunden warten, bevor sie oder er sich ans Steuer setzt. Menschen, die regelmäßig konsumieren müssen mitunter noch länger warten, bis der aktuell geltende Grenzwert von 3,5 Nanogramm pro Milliliter Blutserum unterschritten ist.
55 Prozent aller Autofahrenden nutzen ihr Smartphone regelmäßig am Steuer. Bei den 18- bis 29-Jährigen sind es sogar 85 Prozent. Wie gefährlich ist das?
Manfred Wirsch: Wer während der Fahrt das Smartphone nutzt, zum Beispiel zum Telefonieren, Texten oder für andere Anwendungen, lenkt sich massiv ab. Im Jahr 2023 führten elektronische Geräte zu 977 Unfällen mit Personenschaden, 20 Menschen wurden getötet und 197 Menschen wurden schwer verletzt . Keine Nachricht, kein Anruf ist es wert, das eigene Leben oder das Leben anderer zu riskieren. Darauf weisen wir mit regelmäßigen Aktionen hin – und nun auch mit einem der aktuellen Plakatmotiv entlang der Autobahnen.
Die Botschaften auf den aktuellen „Runter vom Gas“-Plakaten sind auf Englisch. Was ist der Gedanke dahinter?
Manfred Wirsch: Die Plakate sollen für möglichst viele Menschen verständlich sein und funktionieren in ihrer Bildsprache auch ohne Text: Alkohol, Ablenkung und Cannabis gehören nicht ans Steuer. Als Transitland wird Deutschland von vielen internationalen Verkehrsteilnehmenden durchquert und in der Vergangenheit gab es immer mal wieder den Wunsch auch dem nachzukommen. Mit der aktuellen Plakatstaffel ist uns das gut gelungen. Die Botschaften– „Don’t drink and drive“ und „Don’t text and drive“ kennen wir. Und wir erinnern noch mal daran, im Namen der Unfallprävention.
Welche Reaktion erhoffen Sie sich von den Verkehrsteilnehmenden?
Manfred Wirsch: Alle müssen einen Beitrag zur Vision Zero leisten. Deshalb rufen die Plakate dazu auf, nüchtern zu fahren und sich nicht ablenken zu lassen. Wenn das alle beherzigen, kommen wir einer Zukunft ohne Verkehrstote einen großen Schritt näher.
Bilder: BMDV, DVR, Martin Lukas Kim, Autobahnmeisterei Fahrbinde