Die Gesichter hinter den Autobahnplakaten

Deutschlandweit hängen entlang der Autobahnen neue Plakate. Auch an der Ostsee – dank der Autobahnmeisterei Scharbeutz.

13. Dezember 2022
4 Minuten

Die Autobahn als Arbeitsplatz: Sie ist nicht nur eine Verkehrsverbindung von A nach B, sondern gehört für viele Menschen zum Arbeitsalltag. Was sie dabei erwartet? Das ist jeden Tag eine Überraschung.

Die neuen Autobahnplakate stellen verschiedene Berufsgruppen in den Mittelpunkt, die für andere Verkehrsteilnehmende auf der Autobahn unterwegs sind. Neben Polizei, Autobahnmeistereien und Rettungskräften sind beispielsweise auch Fachkräfte des Pannendienstes und des Straßenbaus dort tagtäglich im Einsatz. Die neuen Plakate hängen auch im Norden der Bundesrepublik entlang der A 1 im Bereich Ostholstein bis Lübeck. Darum hat sich die Autobahnmeisterei Scharbeutz gekümmert.

In der Morgensonne auf die Autobahn

Um 7.15 Uhr sind die Autoscheiben der vielen orangelackierten Fahrzeuge im Fuhrpark der Autobahnmeisterei Scharbeutz, nahe der Ostsee, noch mit Tau bedeckt. Währenddessen bereiten sich die Straßenwärter Kristof, Sascha, Sven und Tim auf ihren ersten Einsatz des Tages vor: das Aufhängen der Autobahnplakate.

Dabei sind die Männer in ihrer reflektierenden Schutzkleidung nicht nur für die Anbringung der großflächigen Bilder (3,8 m breit und 2,5 m hoch) verantwortlich, in diesem Jahr stehen sie selbst im Mittelpunkt der Plakatkampagne. Denn eines der drei Motive zeigt einen Mann in einer orangefarbenen Jacke, wie die vier Straßenwärter sie selbst tragen. Darauf zu lesen: „Baustelle. Runter vom Gas.“ Die Botschaft soll Verkehrsteilnehmende für die wichtige, aber risikoreiche Arbeit der Fachkräfte sensibilisieren und ruft dazu auf, mit umsichtigem Fahrverhalten die Menschen im Einsatz auf der Autobahn zu schützen.

Ein Mannschaftswagen bringt die Straßenwärter zu den Plakatständern zwischen Pansdorf und Ratekau. Dahinter fährt ein sogenannter Sicherungs-Lkw. Dieser 14 Tonnen schwere Lastkraftwagen wird aus der Sicht des Verkehrs 100 Meter vor dem Mannschaftswagen aufgestellt und warnt herannahende Fahrzeuge vor den Arbeiten entlang des Seitenstreifens.

Wenige Meter Abstand zur Fahrbahn

„Unser Job ist 60 Prozent absichern und 40 Prozent handwerkliche Tätigkeit.“ Und das hat einen guten Grund. „Allein dieses Jahr hatten wir bei der Autobahnmeisterei bereits zwei Unfälle. Bei einem wurde sogar ein Kollege verletzt“, erzählt Vorarbeiter Kristof.

Unser Job ist 60 Prozent absichern und 40 Prozent handwerkliche Tätigkeit.

Während Sven mit Mäharbeiten beschäftigt war, ist ein Lkw in das Sicherungsfahrzeug gefahren. Dabei wurde ein Kollege, der für die Absicherung zuständig war, verletzt. „Zum Glück hat das Notbremsassistent des heranfahrenden Lasters eingegriffen und er ist lediglich mit 30 km/h auf unser Fahrzeug aufgeprallt. Bei einem weiteren Unfall kam ein Pkw einem Kollegen gefährlich nahe. Er konnte sich gerade noch mit einem Hechtsprung auf die Grünfläche neben der Fahrbahn retten. Wäre der Pkw schneller gewesen, hätte er keine Chance gehabt. Der Fahrer hat nicht richtig aufgepasst. Das ist lebensgefährlich“, berichtet Sven nachdenklich. Er und Kristof sind in ihren Jahren auf der Autobahn zum Glück von schlimmeren Verletzungen verschont geblieben.

Am ersten Plakatständer angekommen, sichert Kristof den Bereich zwischen dem sperrigen Sicherungsfahrzeug und dem Mannschaftswagen mit Leitkegeln ab. Damit signalisiert er, dass der Seitenstreifen auf diesen Metern gesperrt ist. Die Männer laden Leitern, Werkzeug sowie die Plakate aus dem Anhänger des Mannschaftswagens und gehen direkt an die Arbeit. Wenn ein Lkw vorbeidonnert, bebt jedes Mal der Boden und das sperrige Fahrzeug der Autobahnmeisterei wackelt. Davon lässt sich bei der kleinteiligen Arbeit aber niemand stören.

Feingefühl auf der Autobahn

Für das Auswechseln der großen Motive braucht es Fingerspitzengefühl. Ganze 50 Spanngummis müssen Kristof und sein Team aus dem alten Plakat lösen. In die Ösen des neuen Transparents setzen sie neue Spanngummis ein, die aus Sicherheitsgründen jährlich gewechselt werden. Spannseile aus Edelstahl an der Rückseite der Plakattafel geben zusätzlichen Halt und werden alle zwei Jahre gewechselt. „Früher waren das noch einfache Holzwände, an die wir die Plakate genagelt haben. Auf Dauer machte das aber keinen Sinn. Teilweise waren die Nägel zu kurz und haben sich mit der Zeit gelöst, oder das Holz ist irgendwann morsch geworden“, erinnert sich Sven. Bereits seit zehn Jahren sind Plakattafeln aus Metall im Einsatz, die auf Gabelständern aus verzinktem Stahl befestigt sind. Material und Befestigung sind TÜV geprüft.

Auf dem unebenen Boden direkt neben der Autobahn finden die großen Leitern nur schwer Halt, nach einiger Zeit funktioniert es doch. Sven und Kristof stehen oben auf den Sprossen, während Sascha und Tim die Leitern gegen Verrutschen oder gar Umfallen sichern. Dann wechseln sie. Um die Plakate aufzuhängen, muss das ganze Team zusammenarbeiten. Zuerst lösen sie die alten Plakate, dann tragen sie die neuen zu zweit von der Rückseite der Plakattafel auf den Leitern nach oben.

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Am Ende sind alle zufrieden mit ihrer Arbeit.
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Zuerst muss Kristof das alte Autobahnplakat von der Tafel lösen.
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Währenddessen rollen Sven und Tim das neue Plakat aus.
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Die 50 Spanngummis müssen einzeln vom alten Plakat gelöst werden. Eine aufwendige Arbeit.
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Für das Einfädeln der Spanngummis in die Ösen des neuen Plakats braucht es Feingefühl.
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Gemeinsam befestigen die Männer das neue Plakat.
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Auf hohen Leitern befestigen Kristof und Tim das Spannseil hinter der Trägertafel.
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Am Ende sind alle zufrieden mit ihrer Arbeit.
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Zuerst muss Kristof das alte Autobahnplakat von der Tafel lösen.

Nach einer knappen Stunde hängt das erste Plakat, es zeigt den Straßenwärter in orangefarbener Schutzkleidung. Eine gute Sache, findet Kristof: „Ich finde es großartig, dass auf uns hingewiesen wird. Gerade in Zeiten von Smartphones sind Verkehrsteilnehmende leider oft abgelenkt. Dadurch fahren sie immer wieder zu schnell durch Baustellen. Das bringt mich und meine Kollegen in unsichere Situationen.“

Die Männer packen zusammen und fahren auf die entgegengesetzte Richtungsfahrbahn. Das zweite Plakat hängt deutlich schneller. „Wenn man es einmal gemacht hat, dann geht es beim zweiten Mal direkt besser von der Hand“, sagt der 29-jährige Sascha. Er hat zuerst bei einem Abschleppdienst gearbeitet, bevor er als Quereinsteiger zur Autobahnmeisterei kam. Nun wünscht er sich, dass der Beruf sichtbarer wird. Die neuen Plakate könnten ein guter Anfang sein, findet er: „Früher wusste ich nicht, was eine Autobahnmeisterei macht. Das geht vielen anderen genauso. Sie beschweren sich dann nur, wenn mal wieder eine Spur gesperrt ist. Seitdem ich hier arbeite, weiß ich: Ohne uns läuft auf der Autobahn gar nichts.“

Ich fände es schön, wenn wir mehr Dankbarkeit und Wertschätzung erfahren würden.

Nachdem das vierköpfige Team aus Schleswig-Holstein das zweite Plakat befestigt hat, geht es zurück zur Autobahnmeisterei. Für heute stehen noch Mäharbeiten auf dem Programm. Die Grünflächen an der Autobahn müssen in Stand gehalten werden. „Die Abwechslung an diesem Beruf schätze ich sehr. Egal ob Winterdienst, Unfallsicherung oder Nachtdienst: Wir sind für alles, was sich auf der Autobahn abspielt, zuständig. Es wird nie langweilig und ich kann mit dem Gefühl nach Hause gehen, dass die Strecke von allen gut befahren werden kann“, sagt Kristof stolz.

Nach einer kurzen Stärkung geht es für die Männer direkt zurück auf die Autobahn, denn auch wenn die nächsten Autobahnplakate noch ein Jahr auf sich warten lassen: Damit der Verkehr reibungslos und sicher läuft, gibt es jeden Tag mehr als genug zu tun.

Bilder: Lucas Wahl