Schmerzmittel, Beruhigungsmittel, Antidepressiva – was viele nicht wissen: Auch alltägliche Medikamente können die Fahrtüchtigkeit beeinflussen – und so das Unfallrisiko erhöhen. Wir zeigen, welche Wirkstoffe im Straßenverkehr gefährlich werden können und was die Polizei Verkehrsteilnehmenden rät, die Medikamente konsumieren.
Wer krank ist, muss das Auto stehen lassen
Plötzlich passiert es: Mitten im Spiel knickt Sabine auf dem Tennisplatz um. Jetzt schmerzt ihr Fuß. Weil Sonntag ist, geht Sabine nach dem Training nicht zum Arzt, sie nimmt Schmerztabletten, setzt sich ins Auto und fährt nach Hause.
Ähnliches passiert immer wieder: Drei von vier Erwachsenen nehmen laut Angaben des Sucht- und Drogenbeauftragten der Bundesregierung innerhalb eines Jahres mindestens einmal ein Schmerzmittel wie Ibuprofen oder Paracetamol. Viele sind kurz darauf zu Fuß, mit dem Fahrrad oder sogar mit dem Auto unterwegs – doch wie sicher ist es unter der Wirkung von Schmerzmitteln im Straßenverkehr unterwegs zu sein?
Wer Medikamente einnimmt, die das Bewusstsein beeinflussen, sollte nicht aktiv am Straßenverkehr teilnehmen. § 2 der Fahrerlaubnis-Verordnung besagt: Wer sich gesundheitlich nicht in der Lage fühlt, ein Fahrzeug zu führen, muss es stehen lassen.
Allerdings sind Schmerz- und Schlafmittel, Antidepressiva oder starke Wirkstoffe zum Beispiel gegen Fieber nicht grundsätzlich im Straßenverkehr verboten. Eine Teilnahme am Straßenverkehr ist in diesem Fall erlaubt, wenn Vorsorge getroffen wird, dass andere Verkehrsteilnehmende nicht gefährdet werden können. Generell liegt die Verantwortung für das Fahren eines Fahrzeugs bei der fahrenden Person, das heißt, vor jeder Fahrt ist kritisch zu prüfen, ob die eigene Fahrtüchtigkeit uneingeschränkt besteht. Wer sich selbst hinter das Steuer (oder den Lenker) setzt, muss den Anforderungen des Straßenverkehrs gewachsen sein – sowohl körperlich als auch mental.
Medikamente und Auto fahren: Was ist erlaubt?
Eindeutige Grenzwerte – wie bei Alkohol und Cannabis– gibt es im Straßenverkehrsgesetz für die gängigen Medikamente nicht. Es gibt einfach zu viele Medikamente in immer neuen Kombinationen. Deshalb kann die Polizei nach der Einnahme von Medikamenten nur eine sogenannte relative Fahrunsicherheit feststellen.
Hier können Strafen drohen, die aber von Fall zu Fall unterschiedlich ausfallen. Verkehrsexperte Toni Hetzel von der Polizei Berlin erläutert, dass einzeln geprüft werden müsse: „Die Wirkung als berauschendes Mittel muss in der Regel durch ein Sachverständigengutachten festgestellt werden. Das Gutachten muss insbesondere der Frage nachgehen, ob bei der konkreten Dosierung oder Anwendung des Medikaments eine Rauschwirkung eintritt.“
Ab wann werden Medikamente im Straßenverkehr gefährlich? Das hängt vom Wirkstoff, von der Dosierung und auch ganz individuell von der Person ab. Jeder Mensch könne unterschiedlich auf das gleiche Medikament reagieren, erläutert Anne Pohl von der Polizei Sachsen-Anhalt und fügt hinzu: „Letztlich ist jeder Mensch selbst dafür verantwortlich, dass er nur dann Auto fährt, wenn er sich dazu auch in der Lage fühlt.“
Mit Schmerzen ans Steuer: Vorsicht bei diesen Wirkstoffen
Hier zeigen wir eine Auswahl gängiger Wirkstoffe oder Wirkstoffgruppen und warum sie im Straßenverkehr gefährlich sein können. Nehmen Sie ein oder mehrere Medikamente ein, die solche Wirkstoffe enthalten? Dann sollten Sie Ihre Fahrtüchtigkeit immer wieder hinterfragen – und im Zweifel statt Kfz, Fahrrad oder E-Scooter lieber Zug, Bahn oder Taxi nehmen.
Antidepressiva – Arzneimittel gegen Depression: Je nach enthaltener Substanz können sie die Stimmung aufhellen, den persönlichen Antrieb steigern, aber auch sedierend wirken. Insbesondere die stark beruhigende Wirkung ist im Straßenverkehr gefährlich. Patientinnen und Patienten sollten mit ihren Ärztinnen und Ärzten klären, ob sie fahren dürfen.
Antiepileptika – zur Prophylaxe und Akutbehandlung eines epileptischen Anfalls: Menschen mit Epilepsie erhalten häufig ein ärztliches Fahrverbot, erst unter Einsatz einer erfolgreichen Arzneimitteltherapie kann die Fahreignung erreicht werden. Nehmen Sie weiterhin Medikamente gegen Epilepsie, können diese müde machen, die Aufmerksamkeit und die Reaktionsfähigkeit einschränken oder Sehstörungen verursachen.
Antihistaminika – Hilfsmittel gegen Allergien: Wer Heuschnupfen hat oder auf Hausstaub oder Tierhaare reagiert, nimmt häufig Medikamente mit Wirkstoffen dieser Gruppe. Manche machen müde oder sogar schläfrig. Die Forschung macht jedoch Fortschritte, sodass diese Nebenwirkungen bei neueren Medikamenten seltener auftreten. Trotzdem sollte sich jeder nach der Einnahme fragen: „Bin ich fit genug zum Fahren?“
Antirheumatika – gegen Fieber und Schmerzen sowie Gicht, Rheuma und Arthrose: Nicht nur die Anwendungsgebiete sind vielfältig, sondern auch die Wirkungen. Je nach Medikament und Dosis können Hör- und Sehstörungen sowie Müdigkeit auftreten und damit auch die Fahrtauglichkeit einschränken. Wer entsprechende Arzneien in der Selbstmedikation einsetzt, sollte täglich abwägen, ob die eigene Aufmerksamkeit für die Teilnahme am Straßenverkehr ausreicht.
Barbiturate – bei Krampfanfällen oder vor einer Narkose: Sie sind nicht frei verkäuflich und gelten als Betäubungsmittel. Im Straßenverkehr haben sie deshalb nichts zu suchen. Arzneien, die Barbiturate beinhalten, wirken sedierend, hypnotisch und narkotisch.
Benzodiazepine – gegen Angst, Phobien und Epilepsie: Bei schweren psychischen Störungen sind Benzodiazepine weit verbreitet, die von den Konsumierenden oft als Benzos bezeichnet werden. Bekannte Wirkstoffe dieser Gruppe sind unter anderem Diazepam und Lorazepam. Medikamente mit diesen Wirkstoffen führen je nach Dosierung zu Muskelentspannung und Schläfrigkeit. Sehr häufig ist die Reaktionsfähigkeit eingeschränkt, was die Unfallgefahr im Straßenverkehr steigert.
Dissoziativa – von Ketamin bis Lachgas: Substanzen aus diesem Bereich wirken stark auf die Psyche und können einen Drogenrausch auslösen. Niemand sollte sich damit ans Steuer setzen, auch nicht Stunden nach dem Konsum. Ketamin wird in der Notfallmedizin zur Schmerzbetäubung eingesetzt, aber auch als gefährliche Partydroge missbraucht. In Zahnarztpraxen wird Lachgas teilweise zur Beruhigung ängstlicher Patientinnen und Patienten eingesetzt. In Geschäften und Onlineshops ist es teilweise frei erhältlich. Immer wieder missbrauchen Menschen Lachgas, um sich in einen Rausch zu versetzen.
Hypnotika und Sedativa – Schlaf- und Beruhigungsmittel: Die Gruppe dieser Wirkstoffe ist groß und schwer abzugrenzen. Wer abends mit synthetischen Schlafmitteln ins Bett gegangen ist, sollte am nächsten Morgen nicht zu früh am Straßenverkehr teilnehmen. Auch pflanzliche Stoffe wie Baldrian können je nach Dosis lange wirken. Das gilt auch für Beruhigungsmittel: Sie machen schläfrig und schränken die Wahrnehmung ein. Auf die Fahrtüchtigkeit wirken laut dem Deutschen Verkehrssicherheitsrat die Wirkstoffe Flunitrazepam, Bromazepam, Nitrazepam und Oxazepam – sowie Diazepam und Lorazepam, die zur Gruppe der benzodiazepine (siehe oben) gerechnet werden.
Opioide – oft auch Opium oder Opiat genannt: Wirkstoffe dieser Gruppe werden in der Medizin eingesetzt, aber auch als Drogen missbraucht. Mit Morphin zum Beispiel lassen sich stärkste Schmerzen behandeln. Codein wirkt gegen Reizhusten, kann aber auch zu Bewusstseins- und Sehstörungen führen. Fentanyl gehört ebenfalls zu den Opioiden: Es wird als Medikament eingesetzt, aber auch als Droge missbraucht, an der viele Menschen sterben. Unter dem Einfluss von Opioiden darf auf keinen Fall Auto gefahren werden!
Psychedelika – von LSD bis „Magic Mushrooms“: Stoffe wie LSD oder Psilocybin sind verboten, werden jedoch im klinischen Umfeld zur Behandlung von Depressionen, Angststörungen oder posttraumatischen Belastungsstörungen untersucht. Bekannte psychedelische Drogen sind LSD oder berauschende Pilze, sogenannte „Magic Mushrooms“. Sie sind in der Partyszene oft leicht erhältlich. Im oder nach dem Drogenrausch sollte sich aber niemand ans Steuer setzen und damit andere gefährden.
Psychostimulanzien – Wirkstoffe für mehr Aufmerksamkeit und Leistungsfähigkeit: Das klingt zunächst nach guten Eigenschaften für den Straßenverkehr. Doch entsprechende Medikamente können Nebenwirkungen haben, wie zum Beispiel Ritalin, das gegen ADHS und die Schlafkrankheit (Narkolepsie) eingenommen wird. Häufig bis sehr häufig sind Konzentrationsschwäche und erhöhte Aggressivität – Eigenschaften, die am Steuer nichts verloren haben.
Neuroleptika – gegen manische Psychosen, Schizophrenie und Zwangsstörungen: Die sogenannten Antipsychotika werden in der psychiatrischen Therapie häufig kurzfristig, bei chronischen psychotischen Störungen aber auch langfristig eingesetzt. Patientinnen und Patienten sollten in dieser Situation nicht Auto fahren und klären, ob dies für sie in Zukunft überhaupt noch infrage kommt. Akut erkrankte Personen dürfen kein Auto fahren! Die Polizistin Anne Pohl rät dazu, vor jeder Einnahme eines Medikaments die Hinweise auf dem Beipackzettel zu beachten – und Ärztin, Arzt oder die Apotheke zu konsultieren. Pohl mahnt auch, auf Wechselwirkungen zu achten: Scheinbar harmlose Arzneien können die Fahrtüchtigkeit beeinträchtigen, wenn sie zusammen mit anderen eingenommen werden – oder zusammen mit bestimmten Lebensmitteln oder gar Alkohol. Auch eine nachlassende Wirkung von Medikamenten oder eine fehlerhafte Dosierung könne zu Beeinträchtigungen im Straßenverkehr führen, sagt Pohl.
Cannabis, Koks und Crystal: Lebensgefahr am Steuer
Für klassische Rauschmittel gilt: Wer legale oder illegale Drogen konsumiert, sollte niemals ein Fahrzeug führen. Werden diese berauschenden Mittel nachgewiesen, drohen mitunter hohe Geldbußen und Fahrverbote:
- Alkohol
- Cannabis
- Heroin
- Morphin
- Kokain
- Amphetamin (umgangssprachlich Speed oder Pep)
- Designer-Amphetamin (mit den Substanzen MDA, MDE oder MDMA)
- Methamphetamin (umgangssprachlich auch Crystal Meth)
Die einzelnen Grenzwerte für Drogen nennt etwa die Polizei Berlin auf ihrer Internetseite. Die Konzentration bestimmter Substanzen im Blut ist für Laien aber nicht auf die Schnelle zu bestimmen. Deshalb gilt: Lassen Sie die Finger am besten ganz weg von den Drogen. Das gilt auch für inzwischen verbotene Trend-Stoffe wie Hexahydrocannabinol (HHC), das in Liquids für E-Zigaretten und Ölen vorkommt. HHC ist ebenfalls ein Cannabinoid, wird aber zum Teil im Labor hergestellt. Wer HHC konsumiert, erlebt ähnliche Rauschzustände wie mit einem pflanzlichen Joint. Für den Straßenverkehr gilt jedoch unabhängig vom Auslöser: Don’t drive high!
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