Radfahren lernen

Wie bringen Eltern ihren Kindern das Radfahren bei? Am besten mit Geduld – und diesen Tipps.

30. Juli 2018
3 Minuten

Für kleine Kinder ist das Fahrrad ein Spielzeug. Weniger ein Verkehrsmittel. Umso wichtiger, dass Eltern den Nachwuchs bei den ersten Fahrversuchen begleiten und sie auf den Straßenverkehr vorbereiten. Viele Mütter und Väter unterschätzen diese Aufgabe jedoch – weil sie die Fähigkeiten ihrer Kinder meist überschätzen. Erwachsene müssen bedenken: Kleine Kinder verfügen noch nicht über die notwendigen motorischen Fertigkeiten: etwa das Gleichgewicht und die Spur halten. Ebenfalls fehlen kognitive Fähigkeiten wie das Erfassen komplexer Verkehrssituationen.

Jedes Kind hat ein individuelles Entwicklungstempo

„Es gibt kein bestimmtes Alter, in dem man Fahrrad fahren können muss. Wie in allen anderen Bereichen gilt auch hier: Jedes Kind hat sein individuelles Entwicklungstempo“, erklärt Martin Kraft. Der Experte der Deutschen Verkehrswacht rät Eltern, auf das Temperament des Nachwuchses zu achten: „Manche Kinder sind mutig und preschen sofort los. Andere trauen sich eher weniger zu.“ Dementsprechend behutsam sollten Mütter und Väter vorgehen. Ob ein junges Kind schnell oder langsam Radfahren lernt, hängt im Wesentlichen von drei Faktoren ab: den motorischen Fertigkeiten, dem Körpergefühl und dem Willen des Kindes.

Was kann in welchem Alter gelernt werden?

Ab 2 Jahren: Das können Kinder in diesem Alter noch nicht: Eine begonnene Bewegung sicher stoppen, rollende Fahrzeuge von stehenden unterscheiden und ihre Aufmerksamkeit voll auf den Verkehr richten Außerdem sind sie leicht abzulenken. Deshalb sollten sie vom zweiten bis zum vierten Lebensjahr am besten mit dem Roller üben.


4-7 Jahre: Kinder lernen die motorische Beherrschung ihres Rades Sie lernen gleichzeitig zu treten und zu lenken, zu bremsen und einiges mehr. Was sie in diesem Alter nicht können: Auf dem Rad darauf achten, was um sie herum passiert. Ebenfalls bremsen sie auf abschüssigen Strecken noch nicht sicher.

8 Jahre: In dieser Phase sind viele Kinder in der Lage, mehrere Dinge gleichzeitig wahrzunehmen und zu bewältigen. Das ist eine wichtige Voraussetzung, um am Straßenverkehr teilzunehmen.

9-10 Jahre: Mädchen und Jungen nehmen den Straßenverkehr differenzierter wahr. Zwar schätzen sie Geschwindigkeiten noch nicht richtig ein. Auf viele Situationen reagieren sie jedoch schon korrekt.

Erst ab dem Jugendalter entwickeln sie zunehmend genaue Einschätzungen von Gefahren.

Stützräder sind keine Stütze

Das Kind äußert den Wunsch Fahrrad zu fahren? Meist überwinden Kinder ihre Angst vor Stürzen leichter, wenn sie aus eigenem Antrieb Radfahren lernen. Zu Beginn sind Laufrad und Roller ideal. Mädchen und Jungen trainieren darauf den Gleichgewichtssinn, die Reaktionsfähigkeit und die Körperbeherrschung. Ist das Kind sicher unterwegs, hat es gute motorische Voraussetzungen, auf ein Fahrrad zu steigen. Auf Stützräder sollte man jedoch verzichten, rät Verkehrssicherheits-Experte Kraft: „Bei der Fahrt nur hinten ein bisschen stabilisieren. Ein leichter Griff unter den Sattel genügt.“ Somit trägt das Kind die (fast) volle Verantwortung und es macht größere Lernfortschritte.

Eltern müssen mit ihren Kindern klare Grenzen vereinbaren.

Wichtig auch: Eltern sollten mit Kleinkindern nur dort üben, wo keine Fahrzeuge unterwegs sind. „Eltern müssen mit ihren Kindern klare Grenzen vereinbaren: Wo darf gefahren werden? Wo nicht?“, so Kraft. Ebenfalls sorgen Eltern besser dafür, dass sich der Nachwuchs auf einem ebenen und asphaltierten Untergrund bewegt. Gut ist auch, mit den Mädchen oder Jungen das sichere Verhalten in einer möglichen Stress-Situation zu besprechen und einzuüben. Die Kinder sollten beispielsweise sofort bremsen und stehen können, wenn sie merken, dass sie zu schnell unterwegs sind oder eine Gefahrenquelle vorhanden ist. Zudem sollten Eltern in der ersten Zeit neben dem Rad fahrenden Kind herlaufen um es vor Stürzen zu schützen.

Übungsplätze

Ein verkehrsfreier Übungsplatz ist ideal, um erste Fahrversuche zu machen. Und tatsächlich gibt es mehr Möglichkeiten, als man denkt: etwa ein verwaister Schulhof am Nachmittag oder ein freier Garagenvorplatz. Auch Hofeinfahrten und verkehrsberuhigte Bereiche sind sinnvoll. Ungeeignet sind grundsätzlich abschüssige Strecken. Genauso Bereiche mit rutschigem Untergrund.

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Auch das gehört dazu: Schieben und Tragen. Am besten mit einer Hand an das Sattelrohr und mit der anderen Hand unter den Lenker greifen. Müssen Kinder ein Hindernis überwinden, können sie auch beide Hände an den Lenker nehmen.
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Eine Übung fürs Gleichgewicht: Mit Seilen oder Kreide eine Spur markieren. Kinder mehrmals durchfahren lassen, ohne dass sie dabei den Rand berühren, am besten in verschiedenen Geschwindigkeiten. Wird das Kind sicherer, kann man die Spur schmaler legen.
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Bremsen lernen: Mit einem Seil eine Linie markieren, bis zu der das Kind zum Stehen kommen soll. Gleichzeitiges Bremsen mit Hand- und Rücktrittsbremse oder mit zwei Handbremsen müssen sie hingegen lange üben. Aber: Nie nur die Vorderradbremse betätigen.
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Für fortgeschrittene junge Radler ist das Labyrinth ideal: Mehrere Becher auf dem Boden verteilen und Kinder hindurchfahren lassen. Jeder muss seinen eigenen Weg finden – darf dabei aber keinen Becher berühren.
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Auch das gehört dazu: Schieben und Tragen. Am besten mit einer Hand an das Sattelrohr und mit der anderen Hand unter den Lenker greifen. Müssen Kinder ein Hindernis überwinden, können sie auch beide Hände an den Lenker nehmen.
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Eine Übung fürs Gleichgewicht: Mit Seilen oder Kreide eine Spur markieren. Kinder mehrmals durchfahren lassen, ohne dass sie dabei den Rand berühren, am besten in verschiedenen Geschwindigkeiten. Wird das Kind sicherer, kann man die Spur schmaler legen.

Auf die Fahrradgröße achten

Beim Kauf eines Fahrrads sollten Eltern auf die Größe achten. „Junge Kinder sollten mit beiden Beinen gleichzeitig den Boden berühren, wenn sie auf dem Sattel sitzen“, rät Kraft. Gesetzlich nicht vorgeschrieben, aber besonders wichtig ist der Helm. Diesen bereits bei ersten Fahrten auf dem Laufrad aufsetzen. Auch der Lenker sollte gut präpariert sein und eine Schaumstoffabdeckung sowie gepolsterte Griffenden aufweisen. Das hilft bei Stürzen. Sollte das Kind hinfallen und Angst entwickeln: Am besten gelassen bleiben. Martin Kraft sagt: „Eltern sollten auf das eigene Gefühl vertrauen. Kinder aufmuntern, aber keinen Druck ausüben und mit kleinen Herausforderungen neu beginnen.“

Als Elternteil ist man ein Vorbild – das gilt vor allem im Straßenverkehr.

Unerfahrenheit mit Erfahrung begegnen

Auch wenn Kinder bereits Radfahren können: Sie sind in vielerlei Hinsicht unerfahren und schätzen bestimmte Situationen falsch ein. Deshalb sollten andere Verkehrsteilnehmer besonders aufmerksam sein. Kinder könnten plötzlich anhalten, ausscheren, umkippen oder an einer Kreuzung oder roten Ampel nicht rechtzeitig zum Stehen kommen. Das gilt auch, wenn Kinder auf den ersten Blick souverän auf dem Fahrrad unterwegs sind. Auch Eltern tragen mit ihrem Verhalten dazu bei, Kinder für Verkehrssicherheit zu sensibilisieren. „Als Elternteil ist man ein Vorbild – das gilt vor allem im Straßenverkehr“, so Kraft.

Auf dem Gehweg fahren?

Bis zum achten Geburtstag müssen Rad fahrende Kinder auf dem Gehweg bleiben. Ausnahme: Ist ein baulich von der Fahrbahn getrennter Radweg vorhanden, dürfen sie auch diesen nutzen. Zwischen dem achten und zehnten Lebensjahr dürfen Kinder den Gehweg befahren, müssen es aber nicht. Radfahrende Kinder auf dem Gehweg dürfen von einer erwachsenen Person begleitet werden. Kind und Begleitperson müssen jedoch auf Fußgänger Rücksicht nehmen. Das Fahrrad des Kindes muss außerdem – wie alle anderen auch – mit den vorgeschriebenen technischen Einrichtungen ausgestattet sein: etwa Klingel, Bremsen, Frontscheinwerfer und Rücklicht, Reflektoren sowie Rückstrahler.

Bilder: iStock, Jörg Heupel